Humboldt-Universität zu Berlin - Lehrstuhl für Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit

Lavinia Gambini und Arndt Wille mit dem Humboldt-Preis 2021 ausgezeichnet



Wir beglückwünschen Lavinia Gambini und Arndt Wille, die für ihre herausragenden Abschlussarbeiten in der Geschichte der Frühen Neuzeit mit dem Humboldt-Preis der Humboldt-Universität zu Berlin ausgezeichnet wurden. Die beiden von Matthias Pohlig betreuten Forscher_innen konnten sich in dem universitätsweiten und fächerübergreifenden Wettbewerb gegen eine Vielzahl hochkarätiger Kandidat_innen behaupten. Eine Liste aller Preisträger findet sich auf den Seiten des Humboldt-Preises.

 

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Foto: Elisabetta Vergantini

 

Lavinia Gambini erhielt den Humboldt-Preis für Ihre Bachelorarbeit mit dem Titel „Heaven on their minds. Zur ‚vernünftigen‘ Epistemologie des Jenseitswissens in der Aufklärung“, in der sie untersucht hat, wie Aufklärer versuchten, ‚unsicheres‘ Wissen über das Jenseits, auf einer wissenschaftlich geprüften Weise zu erlangen. Ausgehend von den Werken der als ‚gemäßigt‘ geltenden Aufklärer Thomas Burnet (1635–1715), William Whiston (1667–1752) und Charles Bonnet (1720–1793) rekonstruiert die Untersuchung die jeweils angewendeten Methoden und Quellen für die Erlangung von Jenseitswissen. Gambini zeigt, dass Burnet, Whiston und Bonnet sich nicht ‚am Rande‘ der Aufklärung befanden, sondern zu einem aufgeklärten Mainstream gehörten, der metaphysisches Wissen allgemein zugänglich machen wollte. Ihre Beschäftigung mit dem Jenseits brachte den drei Autoren soziales Prestige ein und verwickelte sie in die prominentesten wissenschaftlichen Diskussionen ihrer Zeit. In der gemäßigten Aufklärung war das Suchen nach Jenseitswissen eine konsensfähige und plausible Beschäftigung. (Mehr)

 

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Foto: J. Reske

Arndt Wille wurde mit dem Sonderpreis „Judentum und Antisemitismus“ für seine Masterarbeit „Gefährdete Grenzen. Über Gestalt und Funktion von Ekel, Abscheu und Horror im christlich-antijudaistischen Diskurs im Alten Reich (1475–1550)“ ausgezeichnet. Darin erforscht er Funktion und Zusammenhang von Motiv- und Aussagefeldern innerhalb des christlich-antijüdischen Diskurses um 1500, die intensiv mit Gefühlen des Ekels, des Abscheus und des Horrors operierten und frühneuzeitliche Juden (seltener auch Jüdinnen) als verabscheuungswürdige „Andere“ innerhalb der christlichen Dominanzgesellschaft inszenierten. Diese gänzlich fiktiven und dämonisierenden Diffamierungserzählungen waren eng an verstörende Körperbilder und insbesondere die Überschreitung der Hautgrenze gebunden. Der Körper und insbesondere die Haut wurden in den phantasmatischen Szenerien und Narrativen zu Projektionsflächen, auf denen sich – so die leitende These der Arbeit – die Ängste und Unsicherheiten der christlichen Dominanzgesellschaft, ihre brüchigen Identitäten und Ordnungsvorstellungen (bspw. in Bezug auf Abendmahl und Transsubstantiationslehre) besonders effektiv verhandeln und stabilisieren ließen. Dabei wurden jüdische Gemeinschaften einerseits zum negativen Spiegelbild der christlichen Dominanzgesellschaft zurechtgemacht, andererseits fungierten sie aber auch als fantasierte Agenten eines für die christliche Mehrheit tabuisierten Genießens (Sadismus, Kannibalismus, Gotteslästerung etc.) und beglaubigten darüber hinaus als Zeugen von Wunderphänomenen schließlich die religiösen Überzeugungen des Christentums. Die Arbeit versteht sich dabei auch als Beitrag zur Erforschung wirkmächtiger (teils antisemitischer) Verschwörungserzählungen der Gegenwart, welche auf die Erzeugung von Ängsten vor körperinvasiven Angriffen abzielen. (Mehr)