Humboldt-Universität zu Berlin - Neueste und Zeitgeschichte

Dr. Marion Detjen - Forschungsprojekt

 

Der schmale Grat des Eigenen: 
eine Biographie der deutsch-amerikanischen Verlegerin Helen Wolff

 

In den transatlantischen bibliophilen und literarischen Netzwerken nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Verlegerin Helen Wolff (1906-1994) – Ehefrau und Witwe des Verlegers Kurt Wolff (1887-1963) und Mitbegründerin der "Pantheon Books"  und des Imprints "A Helen and Kurt Wolff Book" – eine Schlüsselposition: Als eine Virtuosin der Übersetzung, Übertragung und Vermittlung von Sprache, Konzepten und Erfahrungen aus dem europäischen in den amerikanischen Kulturraum öffnete sie einer ganzen Generation von Schriftstellern den amerikanischen Buchmarkt, und konstruierte und inszenierte dafür Vorstellungen des "Europäischen", die in der Branche der "quality trade books" in den USA ebenso erfolgreich waren, wie sie auf die europäische Verlags- und Literaturszene zurückwirkten. Ihre Biographie ist bisher vor allem deshalb nicht geschrieben worden, weil sie den Zugang zu den "privaten" Ereignissen und Erfahrungen ihrer Kindheit, Jugend und frühen Jahre mit Kurt Wolff, ihrer Emigration aus Deutschland und ihrer europäischen Jahre des Exils mit unüberwindlichen Barrieren verbaut hat.

In meinem Habilitationsprojekt will ich auf der Grundlage der bisher verschlossenen, aber reichlich vorhandenen "privaten" Quellen Helen Wolffs ihre Lebensgeschichte im triangulären Spannungsfeld zwischen den transnationalen Entwicklungen des Buch- und Literaturmarktes, der kulturellen Netzwerke des Exils und der Geschlechterverhältnisse, die die Handlungsspielräume Helen Wolffs maßgeblich beeinflussten, erzählen. Es sollen die Gründe sichtbar gemacht und analysiert werden, die die Grenzziehungen Helen Wolffs zwischen den Sphären des Privaten und den Sphären des Beruflichen, Öffentlichen und Politischen erforderlich machten und die die von ihr vorgenommenen Konfigurierungen der privaten Sphären motivierten; und es soll der Kontext gezeigt werden, in dem auch die Austauschbeziehungen und Verbindungen, die sie zwischen den Sphären herstellte, verstehbar werden. Das Medium der Biographie, der Erzählung der individuellen, aus "privaten" Komponenten zusammengesetzten Lebensgeschichte einer in den literarischen Öffentlichkeiten beiderseits des Atlantiks wirkenden Frau, soll genutzt werden, um einen neuen, konsequent gender-kritischen und transnationalen Blick auf die Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts zu entwickeln.