Humboldt-Universität zu Berlin - Alte Geschichte

2009

 

Prof. Dr. Aloys Winterling

51104 Vorlesung

Gesellschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit (1. und 2. Jh. n. Chr.)

Termin: Mittwoch 10-12 Uhr

UL 6, 3059

 

Kommentar:

Die Vorlesung geht aus von der These einer (im Kontext vormoderner Gesellschaften außergewöhnlichen) politischen Integration der römischen Gesellschaft und verfolgt deren Transformation unter den Bedingungen der kaiserlichen Herrschaft im 1. und 2. Jahrhundert. Im ersten Teil wird ein Überblick über die politischen Organisationsstrukturen und Entscheidungsprozesse im kaiserzeitlichen Rom gegeben, wobei die Konkurrenz traditioneller republikanischer (Senat, Magistratur, Volksversammlungen) und neuer monarchischer Institutionen (kaiserliche Verwaltung Roms und des Reiches, höfische Zentralverwaltung) im Vordergrund stehen. Des weiteren werden die Strukturen sozialer Ungleichheit (Gliederung nach ordines) sowie die Freundschafts- und Klientelverhältnisse und ihre jeweiligen Verwerfungen im Zuge der Etablierung der kaiserlichen Herrschaft behandelt. Im zweiten Teil geht es um eine genauere theoretisch-konzeptionelle Bestimmung des Phänomens der politischen Integration der römischen Gesellschaft und die Erklärung seiner „involutiven“ Fortführung trotz veränderter gesellschaftsstruktureller und politischer Rahmenbedingungen.

 

Literaturhinweise:

Theodor Mommsen, Römisches Staatsrecht, 3 Bde., 3. Aufl., Leipzig 1887/8; Jochen Bleicken, Verfassungs- und Sozialgeschichte des römischen Kaiserreiches, 2 Bde., Paderborn, Bd. 1, 4. Aufl., 1995. Bd. 2, 3. Aufl., 1994; Géza Alföldy, Römische Sozialgeschichte, 3. Aufl., Wiesbaden 1984; Friedrich Vittinghoff, Gesellschaft, in: ders. (Hg.), Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der römischen Kaiserzeit, Stuttgart 1990, 161-369; ders., Soziale Struktur und politisches System in der hohen römischen Kaiserzeit, in: HZ 230, 1980, 31-55; Aloys Winterling, Aula Caesaris. Studien zur Institutionalisierung des römischen Kaiserhofes in der Zeit von Augustus bis Commodus (31 v.Chr. - 192 n. Chr.), München 1999; ders., ‘Staat’, ‘Gesellschaft’ und politische Integration in der römischen Kaiserzeit, in: Klio 83, 2001, 93-112; ders., Freundschaft und Klientel im kaiserzeitlichen Rom, in: Historia 57, 2008, 298-316.

 

 


 

Prof. Dr. Aloys Winterling

51116 Hauptseminar

Kaisertum und Kaiser im Rom des 1. und 2. Jahrhunderts

Termin: Dienstag, 10-12

Dor 24, 4.404

 

In der althistorischen Forschung wird Politik im Zentrum des römischen Kaiserreiches traditionell in zwei verschiedenen Diskursen behandelt: Strukturgeschichtliche Untersuchungen fragen nach der Institutionalisierung des Kaisertums und der kaiserlichen Rolle in verfassungsrechtlicher (Mommsen, Timpe, Bleicken), sozialer (Premerstein, Saller) oder kommunikativer Hinsicht (Millar). Dabei werden die in der aristokratischen Geschichtsschreibung als „gut“ bewerteten Kaiser wie Augustus, Vespasian oder Trajan als Beispielmaterial benutzt, die „schlechten“ wie Caligula, Nero, Domitian oder Commodus werden gleichsam als Betriebsunfälle ausgesondert und ignoriert. Die ereignisgeschichtlich-biographische Forschung dagegen konzentriert sich auf Einzeldeutungen kaiserlicher Persönlichkeiten, oft gerade der als „verrückt“ geltenden, blendet dabei aber die Ergebnisse der strukturgeschichtlichen Analysen aus, was meist zu personalistischen und anachronistischen Argumentationsmustern führt. Im Seminar soll versucht werden, strukturgeschichtliche und biographische Fragestellungen zusammenzuführen und einzelne Kaiser im Kontext einer (komplexer als üblich anzulegenden) Theorie politischer, sozialer und kommunikativer Strukturen im kaiserzeitlichen Rom zu deuten. Gerade die in den Quellen als „wahnsinnig“ dargestellten Kaiser haben dabei als Testfall für die Angemessenheit der strukturgeschichtlichen Analyse zu gelten.

 

Literaturhinweise:

Theodor Mommsen, Römisches Staatsrecht, 3 Bde., 3. Aufl., Leipzig 1887/8; Dieter Timpe, Untersuchungen zur Kontinuität des frühen Prinzipats, Wiesbaden 1962; Jochen Bleicken, Prinzipat und Republik. Überlegungen zum Charakter des römischen Kaisertums, Frankfurt am Main 1991; Anton von Premerstein, Vom Werden und Wesen des Prinzipats, München 1937; Richard P. Saller, Personal Patronage under the Early Empire, Cambridge 1982; Fergus Millar, The Emperor in the Roman World (31 B.C. - A.D. 337), 2. Aufl., London 1992; Jochen Bleicken, Augustus. Eine Biographie, Berlin 1998; Aloys Winterling, Caligula. Eine Biographie, Neuausg. München 2007; Edward Champlin, Nero, Cambrige Mass., London 2003; Barbara Levick, Vespasian, London, New York 1999; Gunnar Seelentag, Taten und Tugenden Traians. Herrschaftsdarstellung im Principat, Stuttgart 2004; Oliver Hekster, Commodus. An Emperor at the Crossroads, Amsterdam 2002; Aloys Winterling, Cäsarenwahnsinn im Alten Rom, in: Jahrbuch des Historischen Kollegs 2007, München 2008, 115-139.

 

 


 

Hauptseminar

Desintegration und Bürgerkriege in den griechischen Poleis der klassischen Zeit

Termin: Donnerstag, 12-14 Uhr

Dor 24, 1.402

 

Die politische Geschichte Griechenlands in klassischer Zeit war nicht nur durch die Entdeckung der Kontingenz von Herrschaftsverhältnissen und die Ausbildung der ersten "Demokratien" der Weltgeschichte gekennzeichnet, sondern auch – insbesondere seit dem Ende des 5. Jh.s v. Chr. – durch häufige Konflikte innerhalb der Bürgerschaften der kleinräumigen politisch autonomen "Stadtstaaten", die sich in einer Vielzahl von oft mit extremer Brutalität geführten Bürgerkriegen (staseis) entluden. Die Hintergründe sind in der modernen Forschung umstritten. Die schon früh geäußerte These, daß es sich um "Klassenkämpfe" zwischen "Armen" und "Reichen" – so die häufige Bezeichnung der beteiligten Gruppierungen in den zeitgenössischen Quellen – gehandelt habe, wird in neuerer Zeit zwar durchweg in Frage gestellt, sie ist bislang jedoch nicht durch ein vergleichbar kompaktes Konzept ersetzt worden. Ziel des Seminars ist, anhand von konkreten Fallstudien einzelner Bürgerkriege und ihrer innen- und außenpolitischen, sozialen und personalen Rahmenbedingungen die der Desintegration zugrunde liegenden

Strukturprobleme zu analysieren. Teilnahmebedingung ist die Bereitschaft, das griechische Alphabet zu erlernen.

 

Literatur:

Robert v. Pöhlmann, Geschichte der sozialen Frage und des Sozialismus in der antiken Welt, 2 Bde., 3. Aufl.,  München 1925; Alfred Heuß, Das Revolutionsproblem im Spiegel der antiken Geschichte, HZ 216, 1973, 1-72; Eberhard Ruschenbusch, Untersuchungen zu Staat und Politik in Griechenland vom 7. - 4. Jh. v. Chr., Bamberg 1978; G.M.E. de Ste. Croix, The Class Struggle in the Ancient Greek World, London 1981; Hans-Joachim Gehrke, Stasis. Untersuchungen zu den inneren Kriegen in den griechischen Staaten des 5. und 4. Jh.s v. Chr., München 1985; Thomas J. Figueira, A Typology of Social Conflict in Greek Poleis, in: Anthony Molho u.a. (Hg.), City States in Classical Antiquity and Medieval Italy. Athens and Rome, Florence and Venice, Stuttgart 1991, 289-307; Aloys Winterling, „Arme“ und „Reiche“. Die Struktur der griechischen Polisgesellschaften in Aristoteles’ ‘Politik’, Saeculum 44, 1993, 179-205; ders., Aristoteles’ Theorie der politischen Gesellschaft, in: Karen Piepenbrink (Hg.), Philosophie und Lebenswelt in der Antike, Darmstadt 2003, 67-82; Astrid Dössel, Die Beilegung innerstaatlicher Konflikte in den griechischen Poleis vom 5. - 3. Jahrhundert v. Chr., Bern u.a. 2003.

 

 


 

Prof. Dr. Aloys Winterling

51107 Übung

Lektüre und Interpretation ausgewählter epigraphischer Quellen zur Geschichte der römischen Kaiserzeit

Termin: Donnerstag, 16-18 Uhr

Dor 24, 1.405

 

Da in der antiken literarischen Überlieferung zeitgenössische Selbstinterpretationen und eine Konzentration auf Außergewöhnliches dominieren, stellen inschriftliche Zeugnisse eine zentrale Quellengattung für die Erforschung alltäglicher und strukturgeschichtlich bedeutsamer Sachverhalte dar. Ziel der Übung ist eine Einführung in Hilfsmittel und Methoden der lateinischen Epigraphik. Anhand der Übersetzung und Interpretation typischer Beispiele soll der Aussagewert unterschiedlicher Inschriftenkategorien für die Analyse gesellschafts- und kulturgeschichtlicher Fragestellungen bestimmt werden. Teilnahmevoraussetzung sind gewisse Kenntnisse des Lateinischen.

 

Literaturhinweise:

Ernst Meyer, Einführung in die lateinische Epigraphik, Darmstadt 1983; R. Cagnat, Cours d´épigraphie latine, 4. Aufl., Paris 1914; A.E. Gordon, Illustrated Introduction to Latin Epigraphy, London 1983; Historische Inschriften zur römischen Kaiserzeit, übs. und hrsg. v. Helmut Freis, Darmstadt 1984; Römische Inschriften, lat./dt., hrsg. v. L. Schumacher, Stuttgart 1988; David Cherry, Re-figuring the Roman Epigraphic Habit, in: AHB 9, 1995, 143-156; Manfred G. Schmidt, Einführung in die lateinische Epigraphik, Darmstadt 2004.

 

 


 

Prof. Dr. Aloys Winterling

51119 Kolloquium

Aktuelle Forschungsprobleme der Alten Geschichte

Termin: Mittwoch, 19-21 Uhr, 14-tägig

UL 6, 2060

 

Das Kolloquium bietet ein Forum der Diskussion aktueller Fragen althistorischer Forschung und der Erörterung disziplingeschichtlicher Probleme. Diskussionen von Neuerscheinungen, Vorstellungen von Arbeitsvorhaben und anderes werden sich abwechseln. Das Kolloquium steht an althistorischen Fragen Interessierten offen; die Teilnahme auch von Studierenden jüngerer Semester ist ausdrücklich erwünscht.