2012
Prof. Dr. Aloys Winterling - Lehre im Sommersemester 2012
Im Sommersemester 2012 biete ich eine Vorlesung, eine Übung, ein Masterseminar, ein Proseminar und (zusammen mit Claudia Tiersch und Tanja Itgenshorst) ein Colloquium an. Details und wichtige organisatorische Hinweise finden sie durch Anklicken der Veranstaltung in der nachstehenden Liste:
Politik und Gesellschaft im kaiserzeitlichen Rom
freitags, 10-12 Uhr, in HVPL 109
Kommentar
Die Vorlesung geht aus von der These einer (für vormoderne Gesellschaften generell anzunehmenden) „Einbettung“ der Politik in sozialstrukturelle Zusammenhänge. Im ersten Teil wird ein Überblick über die politischen Organisationsstrukturen und Entscheidungsprozesse im kaiserzeitlichen Rom gegeben, wobei die Konkurrenz traditioneller republikanischer (Senat, Magistratur, Volksversammlungen) und neuer monarchischer Institutionen (kaiserliche Verwaltung Roms und des Reiches, höfische Zentralverwaltung) sowie die Veränderungen der Freundschafts- und Klientelverhältnisse im Vordergrund stehen. Des weiteren werden die Strukturen sozialer Ungleichheit (Gliederung nach ordines) und ihre Verwerfungen im Zuge der Etablierung der kaiserlichen Herrschaft aufgearbeitet. Im zweiten Teil geht es um eine genauere theoretisch-konzeptionelle Bestimmung des Verhältnisses von Gesellschaft und Politik in der römischen Kaiserzeit mittels einer Analyse der Formen politischer Integration.
Literaturhinweise
Mommsen, Theodor, Römisches Staatsrecht, 3 Bde., 3. Aufl., Leipzig, 1887. 1888 [ND 1969 u.ö.]; Bleicken, Jochen, Verfassungs- und Sozialgeschichte des römischen Kaiserreiches, 2 Bde., Paderborn, Bd. 1, 4. Aufl., 1995. Bd. 2, 3. Aufl., 1994; Vittinghoff, Friedrich, Gesellschaft, in: ders. (Hg.), Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der römischen Kaiserzeit, Stuttgart 1990, 161-369; ders., Soziale Struktur und politisches System in der hohen römischen Kaiserzeit, in: HZ 230, 1980, 31-55; Alföldy, Géza, Römische Sozialgeschichte, 4., völlig überarbeitete und aktualisierte Aufl., Stuttgart 2011; Winterling, Aloys, Aula Caesaris. Studien zur Institutionalisierung des römischen Kaiserhofes in der Zeit von Augustus bis Commodus (31 v.Chr. - 192 n.Chr.), München 1999; ders., Politics and Society in Imperial Rome, Malden u.a. 2009.
Lektüre und Interpretation ausgewählter lateinischer Quellen zur frühen römischen Kaiserzeit
freitags, 14-16 Uhr, in FRS 5007
Kommentar
Die literarischen Quellen zur frühen römischen Kaiserzeit „fließen“ zwar für antike Verhältnisse außergewöhnlich reichhaltig, zugleich sind sie jedoch aufgrund ihrer romzentrierten Sichtweise, aufgrund ihrer Fixierung auf Kaiserbiografie und wegen ihrer tendenziösen, ja gelegentlich durch nachweisbare Falschaussagen über die Kaiser gekennzeichneten Darstellungen sehr schwierig zu benutzen. Das macht sie zum idealen Übungsobjekt für quellenkritische Studien. In der Übung wird versucht werden, anhand der konkreten Übersetzung lateinischer Textpassagen die Sachaussagen der Autoren kritisch zu überprüfen, ihre Aussageabsichten freizulegen und die diesen zugrundeliegenden aristokratischen Werthaltungen zu analysieren.
Teilnahmevoraussetzung sind gewisse Kenntnisse der lateinischen Sprache. Texte mit deutschen Übersetzungen (die ebenfalls kritisch zu überprüfen sein werden) werden zur Verfügung gestellt.
Literatur
Fuhrmann, Manfred, Seneca und Kaiser Nero. Eine Biographie, Berlin 1997; Syme, Ronald, Tacitus, 2 Bde., Oxford 1958; Vielberg, Meinolf, Pflichten, Werte, Ideale. Eine Untersuchung zu den Wertvorstellungen des Tacitus, Stuttgart 1987; Wallace-Hadrill, Andrew, Suetonius. The Scholar and his Caesars, London 1983.
Die julisch-claudischen Kaiser
mittwochs, 12-14 Uhr, in FRS 5061
Kommentar
Das Jahrhundert vom Sieg des Octavianus, des späteren Augustus, bei Actium 31 v. Chr. bis zum Tod Neros 68 n. Chr. ist innerhalb Roms geprägt durch die konfliktreiche Ausbildung und Durchsetzung des Kaisertums als einer neuen monarchischen Rolle innerhalb einer politisch integrierten republikanischen Adelsgesellschaft. Der Vorgang forderte einen hohen Blutzoll auf beiden Seiten: Die alten Nobilitätsfamilien, die in republikanischer Zeit das Konsulat und die politische Herrschaft über Jahrhunderte hinweg praktisch monopolisiert hatten, waren am Ende dieser Zeit nahezu vollständig aus Rom verschwunden. Drei der fünf Kaiser – glaubt man Gerüchten, die Tacitus berichtet, waren es sogar alle fünf – endeten durch einen unnatürlichen Tod. In dem Masterseminar werden zunächst die paradoxen Bedingungen aristokratischer Kommunikation im kaiserzeitlichen Rom hinsichtlich der politischen Organisation, der sozialen Rangordnung und der persönlichen Nahbeziehungen herausgearbeitet. Sodann wird versucht, vor diesem Hintergrund die ganz unterschiedlichen und gelegentlich bizarr anmutenden Verhaltensweisen der Kaiser Augustus, Tiberius, Caligula, Claudius und Nero in ihrer Rationalität zu rekonstruieren.
Literatur
Mommsen, Theodor, Römisches Staatsrecht, 3 Bde., 3. Aufl., Leipzig, 1887. 1888 [ND 1969 u.ö.]; Wickert, Lothar, Princeps (civitatis), in: RE 22, 2, 1954, 1998-2296; Vittinghoff, Friedrich, Gesellschaft, in: ders. (Hg.), Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der römischen Kaiserzeit, Stuttgart 1990, 161-369; Alföldy, Géza, Römische Sozialgeschichte, 4., völlig überarbeitete und aktualisierte Aufl., Stuttgart 2011; Premerstein, Anton von, Vom Werden und Wesen des Prinzipats, München 1937; Saller, Richard P., Personal Patronage under the Early Empire, Cambridge 1982; Winterling, Aloys, Politics and Society in Imperial Rome, Malden u.a. 2009; Walter, Uwe, Der Princeps als Produkt und Gestalter. Augustus, Tiberius und ihre neueren Biographen, in: Aloys Winterling (Hg.), Zwischen Strukturgeschichte und Biographie. Probleme und Perspektiven einer neuen Römischen Kaisergeschichte (31 v. Chr. - 192 n. Chr.), München 2011, 235-252; Ronning, Christian, Zwischen ratio und Wahn. Caligula, Claudius und Nero in der altertumswissenschaftlichen Forschung, ebd. 253-276.
Aktuelle Forschungsprobleme der Alten Geschichte
mittwochs 18.15 – 20.30 Uhr, in FRS 5007
(zusammen mit T. Itgenshorst und C. Tiersch)
Demokratie im antiken Griechenland
dienstags, 10-12 Uhr, in FRS 5009
Kommentar
Eine jahrtausende alte Begriffskontinuität und der unbezweifelbare weltweit anerkannte Wert von „Demokratie“ als einem Grundprinzip staatlicher Ordnung in der Gegenwart haben dazu geführt, dass heutige Analysen der in der Antike mit δημοκρατἰα bezeichneten politischen Organisationsstrukturen mehr als sonst für anachronistische Wertungen und moderne Projektionen anfällig sind. In dem Proseminar soll vor diesem Hintergrund eine alternative Annäherung an antike Demokratie versucht werden, die von der aristokratische geprägten Gesellschaftsstruktur im antiken Griechenland ausgeht, die das Phänomen nicht nur in Athen, sondern in den vielen weiteren (zeitweise) demokratischen griechischen Poleis aufsucht und die auch nachklassische, sich selbst als Demokratie bezeichnende städtische Ordnungen hellenistischer Zeit mit einbezieht. Teilnahmevoraussetzung ist die Bereitschaft, das griechische Alphabet zu erlernen.
Literatur
Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 4. Aufl., Paderborn 1995; Davies, J.K., Wealth and the Power of Wealth in Classical Athens, Oxford 1981; Donlan, W., The Aristocratic Ideal in Ancient Greece. Attitudes of Superiority from Homer to the End of the Fifth Century B.C., Lawrence, Kansas 1980 [ND 1999]; Eder, W. (Hg.), Die athenische Demokratie im 4. Jahrhundert v. Chr. Vollendung oder Verfall einer Verfassungsform?, Stuttgart 1995; Fouchard, A., Aristocratie et démocratie. Idéologies et sociétés en Grèce ancienne, Paris 1997; Goldhill, S. (Hg.), Performance Culture and Athenian Democracy, Cambridge 1999; Grieb, Volker, Hellenistische Demokratie. Politische Organisation und Struktur in freien griechischen Poleis nach Alexander dem Großen, Stuttgart 2008; Hesk, John, Deception and Democracy in Classical Athens, Cambridge 2000; Kinzl, Konrad H. (Hg.), Demokratia. Der Weg zur Demokratie bei den Griechen, Darmstadt 1995; Meier, Christian, Die Entstehung des Politischen bei den Griechen, Frankfurt a.M. 1980; Nippel, Wilfried, Antike oder moderne Freiheit? Die Begründung der Demokratie in Athen und in der Neuzeit, Frankfurt a.M. 2008; Ober, J., Mass and Elite in Democratic Athens. Rhetoric, Ideology, and the Power of the People, Princeton 1989; Roberts, J.T., Aristocratic Democracy. The Perseverance of Timocratic Principles in Athenian Government, in: Athenaeum 64, 1986, 355-169; Robinson, Eric W., The First Democracies. Early Popular Government outside Athens, Stuttgart 1997; ders., Democracy beyond Athens. Popular Government in the Greek Classical Age, Cambridge u.a. 2011.