Humboldt-Universität zu Berlin - Forschung und Projekte

12. November 2003 Kontinuität und Diskontinuität in der Berliner Germanistik

W_Hoeppner.jpgReferent: PD Dr. Wolfgang Höppner

 

Auch wenn das Jahr 1933 in politischer Hinsicht als eine tiefgreifende Zäsur angesehen wird, verhält es sich mit Blick auf den Wissenschaftsprozess nicht im gleichen Maße. Es lag gewiss im Kalkül der nationalsozialistischen Machthaber, die sog. bürgerliche Ordinarienuniversität und die Wissenschaftslandschaft insgesamt gemäß der eigenen ideologischen Prämissen grundlegend und flächendeckend umzugestalten. Dies entsprach auch dem Selbstbild nicht weniger Wissenschaftler, darunter zahlreicher Germanisten der Berliner Universität. Doch betrachtet man relevante institutionsgeschichtliche und wissenschaftskonzeptionelle Entwicklungen am Germanischen Seminar etwas genauer, wird man nicht wenige Momente von Kontinuität feststellen können. Sie betreffen personelle Konstellationen und institutionelle Strukturen genauso wie die Tatsache, dass die meisten der Theorien und Methoden, die die germanistische Forschung und Lehre in der Zeit der NS-Diktatur maßgeblich bestimmten, zum Teil schon weit vor 1933 ausgearbeitet waren. Und auch in den Jahren nach 1945 herrschte bezüglich der im Zuge der antifaschistischen Umgestaltung angestrebten personellen Erneuerung nach der Phase der "Entnazifizierungen" sowie im Zusammenhang mit neuen wissenschaftsprogrammatischen Orientierungen letztlich mehr Kontinuität als Diskontinuität vor.