Humboldt-Universität zu Berlin - Forschung und Projekte

26. November 2003 Erziehungs- und Rehabilitationswissenschaften

brillReferenten: Dr. Werner Brill (Rehabilitationswissenschaften) und PD Dr. Klaus-Peter Horn (Hist. Erziehungswissenschaften)

 

1. Teil: Sonderpädagogik und Behinderung im Nationalsozialismus - Spezifika der Situation in Berlin

Referent: Dr. Werner Brill

 

Der Antisemitismus als prägendes Element der nationalsozialistischen Ideologie mit seinen mörderischen Konsequenzen ist weitgehend bekannt. Weniger im öffentlichen Bewußtsein ist die Wissenschaft der Eugenik oder Rassenhygiene, die keine Erfindung der Nationalsozialisten war, aber zwischen 1933 und 1945 für Menschen mit Behinderungen und psychisch Kranken Leid und Tod brachte.

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Der Vortrag wird sich mit eugenischen Positionen befassen, die bereits in der ersten deutschen Demokratie, der Weimarer Republik (1918-1933), auch Eingang in das Bewußtsein und Weltbild der Hilfsschullehrerschaft fanden. Ferner wird das Schicksal behinderter Menschen im Nationalsozialismus skizziert, das durch Zwangssterilisation und "Euthanasie"-Morde bestimmt war. Dabei hatte die Wissenschaft der Eugenik/Rassenhygiene entscheidenden Anteil.

Die Funktion der Hilfsschule/Sonderschule, Ausbildung von Sonderschullehrern und die Positionen der Fachzeitschrift "Die deutsche Sonderschule" mit spezifischen rassenhygienischen und nationalsozialistischen Inhalten werden in den wesentlichen Aspekten beleuchtet.

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brill v 3Die Berliner Universität war Ausbildungsstätte für Sonderpädagogen (z.B. für Taubstummenlehrer), die dort u.a. Vorlesungen in Eugenik und Erblehre besuchten. Prof. Eugen Fischer als letzter frei gewählter Rektor der Berliner Universität spielte als führender deutscher Rassenanthropologe und Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik eine zentrale Rolle in der Verbreitung rassenhygienischen Denkens im Wissenschaftsbereich, an der Berliner Universität hatte er zudem eine Professur für Anthropologie inne. In Verbindung mit seinen weiteren Positionen im Sachverständigenbeirat für Bevölkerungs- und Rassenpolitik und als Mitglied des Erbgesundheitsobergerichts Berlin war er ideologisches Bindeglied zwischen rassistischen und eugenischen Positionen. Ebenfalls an der Berliner Universität (Friedrich-Wilhelms-Universität) lehrte seit 1933 die Koryphäe der Rassenhygiene, Prof. Fritz Lenz, der bereits 1923 in München den ersten Lehrstuhl in Deutschland für dieses Fach erhielt.

Die verschiedenen Verflechtungen zwischen Wissenschaft, Politik und Pädagogik sowie die Auswirkungen für die Betroffenen werden einer kritischen Sicht unterzogen. Dabei kann über weite Teile für die Sonderpädagogik wie für die Eugenik eine gegenseitige Durchdringung von fachwissenschaftlichen Standards und ideologischer Instrumentalisierung nachgezeichnet werden, was sich auch bezüglich der Nähe bzw. Ferne zum politischen System auswirkte.

Schließlich wird der Frage nachgegangen, was es an personellen und inhaltlichen Kontinuitäten und Brüchen im Bereich der Sonderpädagogik/Hilfsschullehrerschaft vor 1933 und nach 1945 in beiden deutschen Staaten gab.