Humboldt-Universität zu Berlin - Fachschaftsinitiative (Studierendenvertretung)

Forderungen der Studentischen Vollversammlung vom 07.11.2023

Der folgende Forderungskatalog ist das Ergebnis der Studentischen Vollversammlung am IfG, die am 7. November 2023 abgehalten wurde. Ausgangspunkt ist der jahrelange Machtmissbrauch und die sexualisierte Gewalt am IfG, die im Sommer 2023 öffentlichkeitswirksam wurden. Siehe dazu bspw. die Stellungnahmen des RefRats (24. Juli) und der FSI Geschichte (1. August), sowie die Berichterstattung in der TAZ (26. Juli) und im Tagesspiegel (28. Juli).


Vor Beginn des Wintersemesters hatten einige Studierende die Idee einer Studentischen Vollversammlung, wie sie in § 5 der FSI-Geschäftsordnung (FSI-GO) vorgesehen ist - von Studierenden für Studierende. Während unserer Vollversammlung wurden thematische Gruppen gebildet, die jeweils konkrete Forderungen formulierten. Zum Schluss wurden die einzelnen Kritikpunkte an der derzeitigen Situation und Forderungen im großen Plenum abgestimmt. Der daraus resultierende Forderungskatalog findet sich hier.

 

Forderungen der Studentischen Vollversammlung am IfG
7. November 2023


I. Wir fordern eine sozial gerechte und studierendenfreundliche Studien- und Prüfungsordnung


1. durch flexible Prüfungsfristen, unter anderem einen offiziellen dritten Prüfungszeitraum.
2. durch die transparente und rechtzeitige Bekanntgabe von Prüfungsfristen und -verlängerungsmöglichkeiten und einen unterstützenden Leitfaden im Falle einer Nichtabgabe von Hausarbeiten.
3. durch eine offizielle Zwischenstelle, über die man anonymisiert Prüfungsfristen verlängern kann.
4. durch Standards für sämtliche Prüfungsformen, die einsehbar in der Prüfungsordnung festgelegt sind.
5. durch eine offizielle Stelle, bei der man auf Verstöße gegen die Studienordnung seitens der Professor*innen hinweisen kann.
6. entlang einer Vereinheitlichung von Hausarbeitskorrekturen durch die gemeinsame Erarbeitung eines Bewertungsbogens mit Studierenden und durch konstruktives schriftliches Feedback.
7. durch die fristgerechte Korrektur von Hausarbeiten.
8. durch einen einheitlichen und nachvollziehbaren Verlaufsplan für die Einführungskurse.
9. durch ein transparentes Konzept für die Einführungsklausur und indem die Fragen für die Einführungsklausur mit der Kommission für Lehre und Studium (KLS) abgestimmt werden.


II. Wir fordern mehr hochschulpolitische Mitbestimmungsrechte, eine transparente zugängliche Repräsentation und die Demokratisierung des IfGs


1. durch die Abschaffung von Hierarchien. Besonders die patriarchale Allmacht der Professor*innen muss in sämtlichen Bereichen, seien dies Gremien oder das soziale Institutsleben, problematisiert und abgebaut werden.
2. durch regelmäßig stattfindende studentische Vollversammlungen.
3. durch Aufklärung über institutionelle Strukturen auf IfG-, Fakultäts- und Hochschulebene.
4. durch Sichtbarmachung der Zuständigkeiten und aktueller Ansprechpersonen der Gremien sowie von den (umgesetzten) Beschlüssen sämtlicher Gremien.
5. durch explizite Einladungen zu allen Gremiensitzungen, an denen Studierende teilnehmen können, zum Beispiel auch über den studentischen E-Mailverteiler.
6. durch die konsequente und zeitnahe Veröffentlichung der (öffentlichen) Protokolle aller Gremien.
7. durch die Wertschätzung von Gremienarbeit in Form von Leistungspunkten und finanzieller Entlohnung. Gremienarbeit ist Arbeit!
8. durch die Vereinfachung institutsinterner Kommunikation(-swege) als Voraussetzung für Mitbestimmung, das heißt durch die direkte Kommunikation mit der Studierendenschaft, die nicht nur über die Fachschaftsinitiative (FSI) erfolgt.
9. durch einen zuverlässigen Kommunikationskanal für das gesamte Institut mit durchsichtiger und partizipativer Informationsstruktur, der regelmäßig zu aktuellen Themen und Veranstaltungen sowie zukünftigen Vorhaben am IfG informiert.
10. durch die konsequente Mitbestimmung von Studierenden bei der Lehrplanung, mitunter durch die Einladung zu den Lehrplansitzungen aller Epochen.


III. Wir fordern eine diskriminierungssensible, solidarische und kritische Seminarkultur am IfG


1. durch eine eindeutige, öffentliche Stellungnahme mit Entschuldigung seitens der Professor*innen, in der sie sich für jahrelangen Täter*innen- anstelle von Betroffenenschutz und Versäumnisse in der Aufarbeitung von Machtmissbrauch am IfG verantworten sowie sich dazu bekennen, zukünftig ihre Verantwortung wahrzunehmen.
2. durch die transparente, digitale Dokumentation und eine übersichtliche, zentrale Ressourcensammlung von Stellungnahmen, Berichterstattung und Aufarbeitung zu allen Fällen von Machtmissbrauch sämtlicher Formen, zu diskriminierender Sprache und zu sexualisierter Gewalt am IfG.
3. durch eine Praxis der transparenten Informierung über Täter*innen und Gewaltfälle im Einklang mit dem Betroffenenschutz, damit sich besonders neue Studierende besser schützen können.
4. durch einen überarbeiteten Code of Conduct, der für alle Statusgruppen gilt, Fehlverhalten definiert, am ganzen Institut sichtbar ist und in Forschung und Lehre umgesetzt wird. Dieser Code of Conduct soll auf Fakultätsebene entstehen und gelten, damit bei Verstößen notfalls auch Strukturen außerhalb unseres Instituts in Bewegung gesetzt werden.
5. indem Dozierende ihre Moderationsrolle in Kursen verantwortungsbewusst wahrnehmen, rassistischen, sexistischen und andere Diskriminierungen proaktiv entgegentreten und studentische Mitgestaltung von Seminaren fördern.
6. durch die Sensibilisierung für gewaltvolle Sprache und akademische Machtstrukturen in der ersten Sitzung aller Seminare.
7. durch die Möglichkeit, nach Wunsch und ohne Begründung als Kleingruppe in Sprechstunden zu gehen.
8. durch mehr Verständnis für schwierige studentische Lebensrealitäten seitens der Lehrenden.
9. durch die Zusicherung von Seminarplätzen und das Sichtbarmachen informeller Strukturen zur Vergabe von Restplätzen als Mechanismus, um das aktuelle Desiderat der Lehrangebote am IfG abzufangen.
10. durch die konsequente Durchführung und anonymisierte Veröffentlichung von Seminar-Evaluationen, sowohl über das Kursverhalten als auch über die Lehrinhalte.


IV. Wir fordern Solidarität und Ressourcen für Awareness-Strukturen zum Schutz und für die Unterstützung weiblicher, queerer und rassifizierter Studierender


1. durch zeitnahe Sensilibisierungsmaßnahmen für Sexismus, Rassismus, Antisemitismus und rechte Symboliken im Allgemeinen in Form von verpflichtenden Workshops für Lehrende über multiple Diskriminierungsformen und durch die Etablierung und Anerkennung von Anti-Sexismus, Anti-Rassismus, Anti-Antisemitismus, etc. als integrale Bestandteile von Lehre und Forschung.
2. indem sich die Professor*innen und der Mittelbau konsequent mit Betroffenen solidarisieren, Gewalt und Diskriminierungen ansprechen (Outcallen) und damit ihren Beitrag leisten, das Institutsklima langfristig zu verbessern und Täter*innen keinen Raum zu geben.
3. durch die Schaffung einer externen Kommission zur Aufarbeitung mit bindenden Anweisungen in der Causa Kohring.
4. durch die Umstrukturierung institutsinterner Veranstaltungen (Institutsfest, Droysen-Cup, etc.) zu inklusiveren Veranstaltungen, mitunter durch die verpflichtende Präsenz und den Ausbau des Awareness-Teams sowie durch einen bewussten Umgang mit Alkohol.
5. durch eine*n Gleichstellungs- statt einer Frauenbeauftragten, die*der von allen am Institut gewählt wird, für die Arbeit vergütet wird und weitreichendere Kompetenzen besitzt, beispielsweise Täter*innen unabhängig von ihrer Statusgruppe vom Institut zu verweisen.
6. indem neben der*dem Gleichstellungsbeauftragten eine externe und unabhängige Beschwerdestelle für Geschichtsstudierende existiert, die (anonymisiert) erreicht werden kann.
7. durch die Sichtbarmachung der Gleichstellungsbeauftragten-Wahl, der universitären Förderungsmöglichkeiten für weibliche, queere und rassifizierte Personen und der verfügbaren Schutzräumen.
8. durch barrierefreie Sprechstunden der Gleichstellungbeauftragten und leicht zugänglichen Informationen für weitere Anlaufstellen bei studentischen Fragen, Problemen oder Gewalterfahrungen.
9. durch die sichtbare und flächendeckende Schaffung von All-Gender-Toiletten.
10. durch die explizite Ansprache von Trans*studierenden und queeren Personen in der Studiumseinführung. Studierende sollen sich in Seminaren selbst vorstellen oder nur geschlechterneutral adressiert werden.
11. durch die Bereitstellung von finanziellen und räumlichen Ressourcen für die Selbstorganisierung und Vernetzungsarbeit der Studierenden, mitunter durch einen Umzug zurück ins Hauptgebäude.


V. Wir fordern für Studentische Hilfskräfte (SHKs) die Verbesserung ihrer prekären Arbeitsbedingungen und hochschulpolitische Mitbestimmungsrechte


1. durch die Anerkennung der SHKs als eigene Statusgruppe auf Universitätsebene.
2. durch mindestens zwei Sitze im inoffiziellen geplanten Gesprächskreis aus dem Kontext der sogenannten Vollversammlung des IfGs, ebenso wie in der Machtmissbrauchskommission (MaMiKo) auf Fakultätsebene.
3. durch eine offiziell anerkannte SHK-Vernetzung, die als Arbeitszeit zählt und im Rahmen derer die Willensbildung und die Vorbereitung von Gremienarbeit ermöglicht wird.
4. durch feste Arbeitszeiten, die insgesamt 9,2 Stunden die Woche nicht überschreiten. Auch Kolloquien sind Arbeitszeit, wenn sie nicht im Rahmen von Modulen besucht werden.
5. durch genügend Tutor*innen-Stellen für den Lehrbedarf im Einführungsmodul oder, wenn SHKs von Lehrstühlen ausgeborgt werden, für diesen Zeitraum dann auch nur als Tutor*in arbeiten.
6. indem neue SHKs zeitnah in den SHK- und Mitarbeitendenverteiler aufgenommen werden.
7. durch regelmäßige Dialogformate, in denen die Aufgaben von Professor*innen und Mittelbau als Projektleiter*innen, ihre unverhältnismäßige Machtposition an der Universität, die Privatisierung und Neoliberalisierung von Universitäten und das Lehrstuhl-Modell problematisiert und diskutiert werden.