Humboldt-Universität zu Berlin - Europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts

Exkursion nach Madrid, Toledo, Ávila und Salamanca 2023

Nach langer pandemiebedingter Pause freuen wir uns für das Sommersemester 2023 wieder eine Exkursion nach Spanien ankündigen zu können.

 

Exkursion: Diktatur und Demokratie. „Dos Españas“ im 19. und 20. Jahrhundert

 

Nach pandemiebedingter Pause konnte 2023 erneut eine Gruppe Studierender des Lehrstuhls von Frau Prof. Dr. Birgit Aschmann nach Spanien reisen. Erstmals konnte die Exkursion von der großzügigen Unterstützung des Auswärtigen Amtes profitieren.

Unter dem Titel „Dos Españas“ setzten sich die 16 Teilnehmer:innen intensiv mit der spanischen Erinnerungspolitik auseinander. Begegnungen u. a. mit Schüler:innen der Deutschen Schule Madrid, mit Vertreter:innen der NGO Equipo Europa und mit Student:innen der Universidad Complutense de Madrid standen dabei ebenso auf dem Programm wie ein anregender Austausch mit der Leiterin Politik der Deutschen Botschaft in Madrid und einer Vertreterin des Spanischen Außenministeriums. Besonders aufschlussreich und interessant war des Weiteren der Besuch des Bürger:innenkriegsarchivs in Salamanca, dem Centro Documental de la Memoria Historica, sowie die Gespräche und auch teils hitzigen Diskussionen mit politischen Beobachter:innen  und Journalist:innen von ARD, der Süddeutschen Zeitung, der Friedrich Ebert Stiftung und der Konrad Adenauer Stiftung.

Städtebaulich interessant war Madrid nicht zuletzt wegen des Campus der Complutense; dieser Ende der 1920er errichtete eigene Stadtteil verdeutlicht dem Betrachtenden eindrücklich das Spannungsverhältnis zwischen Modernisierung und Monarchie unter Alfons XIII. Die Relevanz dieses Areals wird außerdem an den sichtbaren Einschusslöchern an der Fassade der Universität deutlich. Diese veranschaulichen bis heute eindrucksvoll wie das Universitätsgelände 1936 zum zentralen Kampfschauplatz des Spanischen Bürger:innenkriegs wurde. Hier profitierten wir von der Expertise von Prof. Carolina Rodríguez López, die sich mit der bewegten Geschichte der Universität auseinandersetzt. Auch die reichen Kunstsammlungen des Prado und des Museo Reina Sofía waren natürlich Teil des umfangreichen Programms der Exkursion. In Toledo wurde die jahrhundertelange Präsenz von Jüd:innen und Muslim:innen ebenso erfahrbar wie die Vereinigung Kastiliens und Leóns unter Isabella I. und Fernando II., den sogenannten Reyes Católicos, deren Insignien (Joch und Pfeile) für die spanische Rechte im 20. Jahrhundert (bzw. bis heute) identitätsstiftend wurden.  

Ebenso beeindruckend wie verstörend waren die bis heute sichtbaren Überreste des franquistischen Regimes. Problematisch scheint dabei die fehlende Kontextualisierung und kritische Einordnung der Überbleibsel der Diktatur. An erster Stelle sei hier das Valle de Cuelgamuros zu nennen (ehemals Valle de los Caídos, Tal der Gefallenen). Das von Zwangsarbeiter:innen errichtete gigantische Kreuz wurde als steingewordenes Selbstbildnis des Regimes als Grablege für Franco geplant und durch die Einbettung der Gebeine zehntausender Gefallener beider Seiten – zynischerweise – als Versöhnung gedeutet. Seit der Umbettung 2019 ist der Diktator in einem Familiengrab neben seiner Frau bestattet. Wie wir bei unserem Besuch feststellen konnten, wird dadurch zwar die bauliche Huldigung vermieden, durch das Fehlen jeglicher Kontextualisierung vor Ort (sowohl an der neuen, wie der alten Grablege), ist die Auseinandersetzung um Francos Erbe, auch fast 50 Jahre nach seinem Tod, alles andere als abgeschlossen.

Auch Salamanca war Teil der Reise. Die Stadt steht mit seiner traditionsreichen Universität für die europäische Geistesgeschichte und Grundsätze des Völkerrechts (Francisco de Vitoria). Im Bürger:innenkrieg diente der Bischofspalast als Francos Hauptquartier, an dessen Fassade eine unkommentierte Inschrift an den „nationalen Kreuzzug“ [sic!] Francos erinnert. Im Archiv und Dokumentationszentrum erhielten wir einen Einblick in die Organisation des franquistischen Repressionsapparats.

Die Exkursion verdeutlichte den Student:innen die Aktualität des schwierigen Umgangs mit Diktatur (1939-1975/77) und Bürger:innenkrieg (1936-1939) auch über 40 Jahre nach der Transicíon zur Demokratie. Interessant waren in diesem Zusammenhang die Debatten über das zweite „Erinnerungsgesetz“ des vergangenen Jahres (Ley de Memoria Democrática). Aus Perspektive historischer Forschung ist das Hantieren mit „historischer Wahrheit“ – wie es in der Präambel des Gesetzes heißt – jedoch stets problematisch.

 

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Ankunft in Toledo

 

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Plaza del Sol, Madrid

 

Ciudad Universitaria
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Valle de Cuelgamuros (ehemals de los Caídos) Die Hospedería im dazugehörigen Klosterkomplex

 

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Stadtmauer, Ávila

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  Universidad de Salamanca
Fotos: © Pál Leon Ludloff