Humboldt-Universität zu Berlin - Europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts

Exkursion ins Baskenland und nach Katalonien 2016

In die Peripherien Spaniens führte im Jahr 2016 die Exkursion im Rahmen der Übung „Ein Spanischer Sonderweg? Der baskische und katalanische Nationalismus im 19. und 20. Jahrhundert“. Auf der Suche nach den Spuren dieser regionalen Nationalismen reiste Prof. Dr. Birgit Aschmann mit einer Gruppe von dreizehn Studierenden zunächst ins Baskenland nach Bilbao. Anschließend wurde die Reise mit dem Bus fortgesetzt: über Gernika und Loyola nach San Sebastián und schließlich weiter über Pamplona, Zaragossa und Belchite nach Barcelona. Der Vergleich der autonomen Regionen Baskenland und Katalonien ermöglichte eine differenziertere Sicht auf ihre jeweilige Geschichte und deren vielfältige Verflechtung, ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

Um die Ursprünge des baskischen Nationalismus im 19. Jahrhundert und dessen aktuelle Forderungen zu verstehen, trafen sich die Teilnehmer_innen in Bilbao, dem Ausgangspunkt der Reise, mit Vertretern der Euzko Alderdi Jeltzalea-Partido Nacionalista Vasco (EAJ-PNV), der baskischen Nationalpartei. Bei einem Besuch ihrer Parteistiftung, der Sabino Arana Fundazione, und dem dazugehörigen Archiv ließen die auf Tischen verteilten Dokumente und Briefe des Parteigründers Sabino Arana (1865-1903) Forschungsmöglichkeiten erahnen. Doch im Baskenland gibt es nicht nur diesen konservativen christlich-demokratischen Nationalismus. Urko Aiartza, ein der linksnationalistischen Abertzale nahestehender Politiker, diskutierte mit den Studierenden einen Tag später in San Sebastián seine Forderungen und sein Verhältnis zur ETA.

Die Erfahrung mit der ETA, der links-separatistischen baskischen Untergrund- und Terrororganisation, die sich erst im Mai 2018 offiziell auflöste, prägt die baskische Gesellschaft noch heute. Wie können ehemalige Franquisten, ETA-Anhänger und ihre Opfer heute zusammenleben? Was soll mit den über ganz Spanien verteilten ETA-Gefangenen geschehen, deren Familien die Verlegung ins Baskenland fordern? Sehr persönliche Einblicke in die alltäglichen Auswirkungen dieser Gewalterfahrung erlaubten Gespräche mit Zeitzeugen. Ein Ombudsmann des baskischen Parlaments berichtete davon, wie er nach Morddrohungen durch die ETA unter Polizeischutz leben musste, und ein junger Student von seiner Kindheit zu Zeiten des ETA-Terrors.

 

DSC 0632Auf den Stufen des Klosters Montserrat in den Bergen um Barcelona… 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Doch nicht nur Menschen, auch Orte können eine Geschichte erzählen. Mit Gernika besichtigten die Exkursionsteilnehmer_innen den zentralen Erinnerungsort des baskischen Nationalbewusstseins. Zum einen symbolisiert die Eiche im Ortskern die traditionellen Sonderrechte des Baskenlandes. Zum anderen wurde Gernika im April 1937 Opfer der verheerenden Luftangriffe der deutschen Legion Condor. Im Gespräch mit Vertreter_innen von Gernika Gogoratuz, einem Friedensforschungszentrum, zeigte sich, wie sehr die baskische Gesellschaft noch immer nach Wegen sucht, mit dieser Vergangenheit umzugehen. 

Nach ein paar Tagen ließen die Exkursionsteilnehmer_innen das grüne Baskenland hinter sich und fuhren durch Navarra und Aragón in Richtung Katalonien. Bei kurzen Zwischenstops wandelten die Studierenden in der Provinzhauptstadt Pamplona auf Hemingways Spuren und hinterfragten die Bedeutung der Virgen del Pilar in Zaragossa. Den letzten Halt machte der Bus bei Belchite, einem kleinen Ort in der kargen Hochebene Aragóns, der bei der Schlacht von Belchite 1937 komplett zerstört worden war. Franco hatte nach dem Bürgerkrieg beschlossen, die Ruinen als Symbol des „nationalen Sieges“ und der „roten Barbarei“ bestehen zu lassen. Seine Deutung als Erinnerungsort ist in Spanien noch immer umstritten.
In Katalonien schärften die Eindrücke aus dem Baskenland den Blick der Studierenden. Im Gegensatz zum Baskenland gab es einen nationalistischen Terrorismus wie den der ETA hier nicht. 2016 präsentierten sich die Forderungen nach Unabhängigkeit dort vor allem in Form von Massendemonstrationen und als friedliches, zivilgesellschaftliches Projekt. Genau dieses Bild zu fördern schien auch das Anliegen des Leiters von Liz Castro zu sein, einem prominenten amerikanischen Mitglied der Assemblea Nacional Catalana (Katalanische Nationalversammlung), einer katalanischen Bürgerbewegung, die sich für die Unabhängigkeit Kataloniens einsetzt.

Auch in Barcelona boten verschiedenste Erinnerungsorte Gelegenheit, Narrative einer katalanischen Geschichtsschreibung zu untersuchen. Besonders ausgeprägt und emotional aufgeladen fanden die Studierenden diese im Museu d’Història de Catalunya und dem Kulturzentrum Mercat del Born. Ein Besuch der Gedenkstätte auf dem abgelegenen Friedhof von Montjuic warf die Frage nach der Bedeutung des Erinnerns an die Opfer der franquistischen Repression auf. Die Exkursion schloss mit einer historischen Führung durch das katalanische Parlament und einem Abstecher nach Montserrat, der für ihre Positionierung zugunsten eines katalanischen Nationalismus bekannten Benediktinerabtei.

 

Text: Lea Frese-Renner

 

► Link: Britt Schlünz, Hin zu Europa – weg von Spanien? Studierende informieren sich vor Ort über Unabhängigkeitsbewegungen im Baskenland und in Katalonien, in: Humboldt. Die Zeitung der Alma Mater Berolinensis, 7. Juli 2016, S. 7.