Humboldt-Universität zu Berlin - Europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts

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Jannis Girgsdies: Arbeitsmigration, Abenteuer, Kolonialkrieg. Eine globale Mikrogeschichte der Fremden in der spanischen Fremdenlegion, 1920–1936

Was brachte einen jungen Bayern aus dem Altmühltal, einen japanischen Seemann aus Kobe und einen französischen Violinisten sowie hunderte Arbeiter, Arbeitslose und Auswanderer aus Metropolen wie Hamburg, Havanna, Prag und New Orleans in die abgelegene Gebirgsödnis Nordmarokkos? Was waren ihre Hintergründe und was waren ihre Erfahrungen in einem entgrenzten Kolonialkrieg, den sie als Mitglieder der 1920 gegründeten spanischen Fremdenlegion führten? Diese Fragen stehen im Zentrum meines Promotionsprojekts über die etwa 4.300 Fremden, die zwischen 1920 und 1936 in dieser überwiegen spanischen Einheit dienten, kämpften und starben.

 

Obwohl die Bedeutung der zeitweise vom späteren Diktator Franco geführten Truppe für den Kolonialkrieg sowie für Vorgeschichte und Verlauf des Spanischen Bürgerkrieges in der Forschung allgemein anerkannt ist, liegen kaum Studien zu ihr vor. Diese befassen sich primär mit der operativen und institutionellen Geschichte der Einheit, nicht jedoch mit ihren mythisch als „Bräutigamen des Todes“ verklärten Mitgliedern. Das Vorhaben widmet sich diesem Personenkreis im Rahmen einer globalen Mikrogeschichte und anhand von Archivquellen aus Spanien, Portugal, Deutschland, Frankreich, Italien und England, publizierten Erlebnisberichten von Legionären sowie Zeitungsquellen. Die Arbeit soll nicht nur durch das Aufzeigen subalterner Perspektiven „von unten“ auf Legion und Kolonialkrieg eine Leerstelle in der Forschung schließen und das mythisch-ideologisch überfrachtete Bild der Einheit korrigieren sowie einen Beitrag zur Debatte um den Gewalttransfer zwischen Kolonialkrieg und Bürgerkrieg leisten. Durch den Fokus auf die Legionäre verschiedenster Nationen und ihre jeweiligen Hintergründe und Motivationen eröffnet sie zudem globale alltagsgeschichtliche Einblicke in Lebenswege und Lebenswelten der Zwischenkriegszeit und ist gleichsam eine Studie zu Arbeitsmigration und militärischer Arbeit. Hinsichtlich der Kriegs- und Alltagserfahrungen im kolonial-militärischen Kontext behandelt die Dissertation das Verhältnis der Legionäre zur einheimischen Bevölkerung und zur „Zivilisierungsmission“ ebenso wie Fragen von Identität in der Fremde, unit- und task cohesion in multinationalen Militärverbänden sowie den etwaigen Spezifika kolonialer Gewalt und knüpft an Themen der Kolonial-, Gewalt- und Militärgeschichte an. Die Arbeit ist als idealtypische Kollektivbiographie mit loser zeitlicher Gliederung konzipiert, die zunächst die verschiedenen Wege in die Fremdenlegion skizziert, anschließend die Legionserfahrung(en) thematisiert und in Tod, Heimkehr oder Legionärsleben mündet.