Jenny Baumann: Die DDR und Spanien 1973–1990: Außergewöhnliche Beziehungen im Kontext des Kalten Krieges (abgeschlossen)
Am 11. Januar 1973 begingen zwei weltanschauliche Antagonisten einen ideologischen Tabubruch: Das kommunistische SED-Regime und das franquistische Spanien nahmen diplomatische Beziehungen zueinander auf. Die DDR war damit das einzige sozialistische Land in Europa, das Botschafter mit Franco-Spanien austauschte.
Nicht nur kam die Aufnahme der Beziehungen für viele Zeitgenossen überraschend, die Kontakte blieben bis zu ihrem Ende 1990 in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Während der kaum mehr als fünfzehn Jahre, die sie währten, sahen sich die außenpolitischen Akteure Ost-Berlins unterschiedlichen politischen Systemen und Partnern in Madrid gegenüber. Dabei waren die ersten Jahre von der besonderen Brisanz geprägt, die sich aus dem Interagieren zweier ideologisch antagonistischer Diktaturen ergab. Nach einer Unterbrechung der diplomatischen Kontakte und dem Tod Francos wiedereröffnete die DDR ihre Botschaft 1977 unter den Bedingungen eines „Neustarts“ im Spanien der Transición. Sie fungierte als Messstation Ost-Berlins im spanischen Demokratisierungsprozess und als Sprachrohr des SED-Regimes gegenüber den unterschiedlichen Akteuren der politischen und gesellschaftlichen Neuorientierung Spaniens. Die letzte und längste Phase der Beziehungen trug sodann die „Signatur des 20. Jahrhunderts“ (Hermann Wentker): Mit der Konsolidierung der spanischen Demokratie und dem Regierungsantritt der Sozialisten unter Felipe González 1982 wurde der Systemgegensatz zwischen kommunistischer Diktatur und westlicher Demokratie zum evidenten Merkmal der ostdeutsch-spanischen Beziehungen. Diese waren, so die Bilanz der fünfzehn Jahre, zu jedem Zeitpunkt und in besonderem Maße von den Konjunkturen des Kalten Krieges geprägt.