Abgeschlossene Projekte
2024: Diplomatie als kollektive Praxis. Botschaftssekretäre und diplomatischer Alltag im frühneuzeitlichen Istanbul (Dr. habil. Florian Kühnel, Habilitationsschrift)
Diplomatie – das sind Verhandlungen zwischen Gesandten, Herrschern und Ministern über Krieg und Frieden, so die gängige Sichtweise. Die Arbeit zeigt jedoch, dass Diplomatie in der Frühen Neuzeit keine individuelle Leistung einzelner „großer Männer“ war, sondern eine „kollektive Praxis“, an der verschiedene – männliche und weibliche – Akteure teilhatten und die sehr viel mehr umfasste als Verhandlungen allein. Am Beispiel vor allem der englischen (bzw. britischen) Botschaft im frühneuzeitlichen Istanbul nimmt sie diese Vielfalt der Akteure und alltägliche diplomatische Interaktionen in akteurszentrierter und praxeologischer Perspektive in den Blick. Die Studie ist damit ein wichtiger Beitrag sowohl zur diplomatiehistorischen Theorie als auch zu unserem Verständnis der Praxis interkultureller diplomatischer Beziehungen.
2022: Vom „Land der Anarchie“ in die „Sackgasse Europas“? Handlungsfelder und Interaktionsräume französischer Revolutionsemigranten in der Habsburgermonarchie (Dr. Matthias Winkler, Dissertation, betreut von Prof. Dr. Xenia von Tippelskirch und Prof. Dr. Peter Burschel)
Im Fokus der Arbeit stehen die Interaktionen und wechselseitigen Bezüge von französischen Revolutionsemigranten und Aufnahmegesellschaft in der Habsburgermonarchie von 1789 bis ins zweite Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Die Studie untersucht Kontaktzonen und Wirkungszusammenhänge auf politisch-administrativer, gesellschaftlich-kultureller und religiös-kirchlicher Ebene, die aus der mehrjährigen Emigrantenpräsenz im Exilland erwuchsen. Ausgehend von den kommunikativen Schnittstellen in der Aufnahmegesellschaft lotet sie die Aktionsradien der Exilfranzosen aus und verortet die Emigration in Verschränkung mit den wechselhaften Wahrnehmungen der einheimischen Bevölkerung als polyvalenten Faktor im sozialen Gefüge der Habsburgermonarchie um 1800.
2020: Neue Zeit der neuen Welten. Forschungsexpeditionen in den Pazifik und Geschichtsdenken im Europa des 18. Jahrhunderts (Prof. Dr. Sünne Juterczenka, Habilitationsschrift)
Mit dem Zugang der kritischen Rezeptionsgeschichte untersucht diese Arbeit mediale Repräsentationen einer Reihe von Forschungsexpeditionen, die im Zeichen der Aufklärung in den Pazifik entsandt wurden. Dabei liegt der Fokus auf britischen, französischen und deutschen Deutungen der Frühen Neuzeit als Epoche der „Entdeckungen“. Dieses Epochennarrativ bündelte die zunehmenden globalen Verflechtungen des 18. Jahrhunderts.
2015–2019: Wahrheitsentscheidungen und Zwang zur Positionierung: Die kommunikative Herstellung von Entscheidungsbedarf in der frühen Reformation (Prof. Dr. Matthias Pohlig, Teilprojekt B04 im SFB 1150 „Kulturen des Entscheidens“, Universität Münster)
Die frühe Reformation im Alten Reich war ein entscheidungskulturelles Experimentierfeld: Es wurde eine neue Pluralität religiöser Entscheidungsoptionen diskutiert, aber auch debattiert, ob man sich überhaupt entscheiden könne. An der Reformation lässt sich beispielhaft ablesen, was passiert, wenn eine etablierte Entscheidungskonstellation zusammenbricht und eine neue sich noch nicht etabliert hat. (Mehr)