Humboldt-Universität zu Berlin - Lehrstuhl für Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit

Fabia Berhanue, M.A.

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Name
Fabia Berhanue M.A.
Status
Doktorand/in
E-Mail
fabia.berhanue (at) hu-berlin.de

DISSERTATIONSVORHABEN

Geschlecht im Aufstand? Der „Bauernkrieg“ (1524–1526) in geschlechtergeschichtlicher Perspektive

Ziel des Projektes ist es, den Blick für geschlechtsbasierte Dynamiken im Kontext des „Bauernkriegs“ zu schärfen und so ihre Relevanz für die Ausnahme- und Krisensituationen um 1525 erstmals umfassend zu ermitteln. Geschlecht wird dabei intersektional gedacht und folglich in einem komplexen wechselseitigen Beziehungs- und Wirkungsgeflecht mit anderen frühneuzeitlich relevanten sozialen Bestimmungen wie zum Beispiel Stand, Alter und religiöser Zugehörigkeit/Stellung verortet. Im Fokus der Arbeit steht daher die Frage, durch wen, warum und in welcher Weise die Kategorie Geschlecht im Verlauf der Aufstandsbewegungen bemüht wurde – beziehungsweise unter welchen Umständen sie gerade keine oder eine eher untergeordnete Rolle spielte.

Für eine möglichst differenzierte Untersuchung sollen dabei sowohl diskurs- als auch handlungsanalytische Dimensionen in vergleichender Perspektive beleuchtet werden: Anhand des zeitgenössischen Diskurses von und über Akteur:innen des „Bauernkriegs“ werden einerseits die Konstruktionsformen von binären Geschlechterbildern, -verhältnissen und -differenzen in den Blick genommen, um ihre Funktionen für entsprechende Ordnungsvorstellungen in einer frühneuzeitlichen Extremsituation nachzuzeichnen. Andererseits werden mit akteurs- und handlungsorientiertem Ansatz neue Schlaglichter auf die Lebensrealitäten tatsächlicher und vermeintlicher Träger:innen und Gegner:innen der Erhebungen geworfen. Im Zentrum der Analyse stehen hierbei für das Aufstandsgeschehen charakteristische und/oder bedeutsame Handlungszusammenhänge (etwa Festlichkeiten, Plünderungsvorgänge, Kampfhandlungen etc.) und die damit korrelierenden Praktiken. So soll eruiert werden, wie Geschlecht hier situativ inszeniert wurde, welche Rolle geschlechtliche Verortung für Teilhabe- und Ausschlussprozesse im Rahmen der Aufstandsbewegungen spielte, welche Handlungsoptionen sowie -zwänge genau sich daraus für die Zeitgenoss:innen ergaben und wie Akteur:innen mit äußerst unterschiedlichen Interessenslagen damit umgingen. All diesen Aspekten gilt es explizit auch im Hinblick auf Gruppierungen nachzugehen, die von der „Bauernkriegs“-Historiografie bisher eher vernachlässigt wurden (beispielsweise Klosterbewohner:innen im Spiegel des unter anderem antiklerikal motivierten Aufstandsgeschehens). Insgesamt soll so auf verschiedenen Ebenen rekonstruiert werden, wie sich unterschiedliche frühneuzeitliche Entwürfe von Männlichkeit und Weiblichkeit konstituierten und inwiefern diese die soziale Realität heterogener Akteur:innengruppen im Rahmen des „Bauernkriegs“ beeinflussten – und vice versa.