Humboldt-Universität zu Berlin
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Institut für Geschichtswissenschaften
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Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
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Forschungsprojekte
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Die Geschichte der Kinderkuren und Kindererholungsmaßnahmen in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1945 und 1989
Die Geschichte der Kinderkuren und Kindererholungsmaßnahmen in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1945 und 1989
Projektleitung
Bearbeiter:innen
- Dr. Martin Münzel
- Helge Jonas Pösche M. A.
- Lena Rudeck
Studentische Mitarbeiter:innen
- Imme Marike Dittmer
- Simon Reichelt
Laufzeit
- 11/2022 – 10/2024
Das Projekt nimmt erstmals die Geschichte des bundesdeutschen Kinderkurwesens nach 1945 als Gesamtphänomen wissenschaftlich in den Blick. Im Mittelpunkt der Forschungen steht der Aufenthalt von jährlich mehreren hunderttausend Kindern und Jugendlichen in zahlreichen Kinderkur- und -erholungsheimen und damit ein bisher kaum untersuchter Teilbereich der sozialstaatlichen Entwicklung in Deutschland bis in die 1980er Jahre.
Unter Einordnung in den sozialrechtlichen und gesundheitspolitischen Rahmen sollen der Funktionswandel der Kinderkuren und die damit verbundene Veränderung medizinisch- pädagogischer Leitbilder herausgearbeitet werden. Zunehmend trat der Aspekt der Heilfürsorge hinter die Erholungsfürsorge zurück und gewannen pädagogische Fragen der Freizeitgestaltung an Gewicht. Vor dem allgemeinen Hintergrund der staatlichen Gesundheits- und Erholungsfürsorgepolitik seit der frühen Nachkriegszeit fragt das Projekt nach der Prägekraft historischer Kontinuitätslinien und nach den Diskontinuitäten bei Institutionen, Personal, Normen und Praktiken. Zur Untersuchung der familiären und heimbezogenen Erziehungskonzeptionen werden dabei neuere Ansätze der Emotionsgeschichte und der historischen Kindheitsforschung herangezogen.
Zu den maßgeblichen zu untersuchenden Akteuren zählen neben den Kindern und Jugendlichen das Heimpersonal, Aufsichtsbehörden und Krankenkassen. Hervorzuheben sind außerdem die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege als Träger zahlreicher Einrichtungen sowie nicht zuletzt die Rentenversicherung, die die Erholungskuren durch die Gewährung von Zuschüssen ermöglichte.
In Form repräsentativer Fallstudien werden einzelne Kinderkur- und -erholungseinrichtungen in den Fokus genommen. Dabei sollen die Organisations-, Verwaltungs- und Aufsichtsstrukturen ebenso dargestellt werden wie die Betreuungsbedingungen und die konkrete Praxis der Kinderkuren. Anhand von Fallbeispielen werden dabei auch Ausmaß und Formen von Fehlverhalten, Misshandlungen und Gewalt einerseits sowie die mögliche Herausbildung fortschrittlicher Reformansätze andererseits untersucht. Das quellengestützte Vorgehen wird durch mit den geschichtswissenschaftlichen Methoden der "Oral History" durchgeführten Interviews mit Betroffenen und Beteiligten ergänzt.
Das Forschungsprojekt wird im Auftrag der DRV Bund, der Diakonie Deutschland, des Deutschen Roten Kreuzes und des Deutschen Caritasverbands durchgeführt und soll Ende 2024 abgeschlossen werden.