Humboldt-Universität zu Berlin - Südosteuropäische Geschichte

Belgrad-Workshop

Offensichtlich scheint es heute nicht viel anders zu sein. Diskussionen etwa, in der die Verantwortung Serbiens, bzw. der serbischen Regierung für den Ausbruch des Krieges neu gewichtet wurde, verliefen sich allzu schnell in vermeintlich als obsolet gedachten Bahnen national gefasster Wahrnehmung. In der durch das Buch von Christopher Clark ausgelösten Kontroverse hielten sich viele in der hiesigen Öffentlichkeit kaum bei der Frage um die Ursachen solcher Gewaltdynamik auf, sowie der Bedeutung der Gesellschaften des Balkan für den Ersten Weltkrieg. Schnell war ausschließlich von dem pro und contra hinsichtlich einer „Schuld“ der „Deutschen“ die Rede. Es mutet befremdlich an, und wäre selbst eine Diskussion wert, warum nationale Engführungen auch in Zeiten „postnationaler Konstellationen“ weiterhin über derartige Anziehungskraft in der medial vermittelten Öffentlichkeit verfügen.

Obwohl sich die Gesellschaften Serbiens und der Bundesrepublik nur schwer vergleichen lassen, wird hier auf den ersten Blick eine Gemeinsamkeit sichtbar: es verwundert zunächst nicht, dass die Erinnerung an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Serbien einen besonderen Stellenwert hat. Doch vor dem Hintergrund des krisenhaften Umbruches in dem sich die serbische Gesellschaft befindet und dessen Ausgang ungewiss bleibt, bekommt das augenblickliche Gedenken, Veranstaltungen und Publikationen besondere Brisanz. Nicht zuletzt durch die in der serbischen Gesellschaft anhaltende Debatte um die weitere politische Orientierung an der EU, oder aber an Russland. Dabei überblenden sich tagesaktuelle Reflexe und historische Bezüge, die eine differenzierte Auseinandersetzung nicht unbedingt erleichtern. Gleichzeitig ist hier wenig bekannt, wie stark der Bezug in Serbien auf die Debatten in Deutschland ist. 

Dieser Workshop will die skizzierten Paradoxien und Schwierigkeiten als Chance nutzen: die re-nationalisierung von Erinnerung hinterfragen, zugleich die Gesellschaften des Balkans in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg rücken und schließlich ausgehend von der Debatte in Serbien, bzw. um die Ursachen Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts fragen, worin eine europäische Geschichte des Ersten Weltkrieges bestehen könnte.

In einer ersten Runde werden die Ergebnisse der neueren Forschung zum Ersten Weltkrieg im Allgemeinen und den Entwicklungen auf dem Balkan im Besonderen, sowie neue Fragestellungen vorgestellt. Danach fokussiert der Workshop den Balkan und Serbien und fragt systematisch nach der Bedeutung Serbiens für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Zu einem besseren Verständnis des jugoslawischen bzw. serbischen Kontextes werden auch die Forschungsschwerpunkte in der serbischen Geschichtswissenschaft, sowie die verschiedenen Linien von Geschichtspolitik thematisiert. Ausgehend von diesen Themen wird in einer dritten Runde die Diskussion in einer europäischer Perspektive erweitert und die Frage nach den Möglichkeiten einer europäischen Geschichtsschreibung gestellt, wie  einerseits nationale Engfassungen und Peripherisierungen der Wahrnehmung von Geschichte in Europa überwunden werden können.

Um Anmeldung wird gebeten bei Frau Valeria Nieberg: valeria.nieberg@hu-berlin.de


Mitveranstalter: Europäische Akademie Berlin