Humboldt-Universität zu Berlin - Fachschaftsinitiative (Studierendenvertretung)

Statement gegen den Antisemitismus an Berliner Hochschulen

Liebe Kommiliton*innen, 

mit großer Sorge und Entsetzen betrachten wir die Entwicklungen der letzten Monate, in denen Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft und auch an Hochschulen neue Ausmaße erreicht hat. Anfang Februar gipfelte er in dem Angriff auf Lahav Shapira, der unprovoziert von einem Kommilitonen attackiert wurde. Wir solidarisieren uns mit Lahav und wünschen ihm eine schnelle und vollständige Genesung. Dieser Angriff ist jedoch kein Einzelfall, sondern die Konsequenz der Entwicklung der letzten Monate. War schon vorher Antisemitismus an Hochschulen präsent, hat er sich seit dem mörderischen Angriff der Hamas verschärft und normalisiert, was der Berliner Ansprechpartner zu Antisemitismus Samuel Salzborn bestätigte: “Seit dem barbarischen antisemitischen Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober ist die Sicherheitslage für Jüdinnen und Juden und für Israelis in Berlin extrem angespannt.”[1] Dies spiegeln auch die Zahlen wider, die die Meldestelle RIAS (Research and Information on Antisemitism) Berlin bereits Ende November veröffentlichte: “Das Projekt hat im Oktober 2023 mehr antisemitische Vorfälle (230) verzeichnet als in jedem anderen Monat seit Beginn der Dokumentation in Berlin im Jahr 2015.”[2] Auch Hanna Veiler, die Präsidentin der JSUD, warnte bereits Anfang Dezember vor einer gefährlichen Entwicklung für jüdische Studierende an deutschen Universitäten.[3]

Der sprunghafte Anstieg von Äußerungen mit antisemitischem Gehalt, konkreter antisemitischer Sprechakte bis zu extremer Gewalt führen dazu, dass auch Universitäten kein sicherer Raum für Jüdinnen und Juden sind. Dieser Zustand ist inakzeptabel. Die FSI Geschichte solidarisiert sich mit jüdischen Studierenden und duldet keinen Antisemitismus.

“Das Phänomen der Judenfeindschaft und des Judenhasses zeigt sich seit zwei Jahrtausenden verbal und nonverbal in den Formen der Diskriminierung, Einschüchterung, Verfolgung, Erniedrigung und Ermordung von Juden und involviert als komplexes Phänomen religiöse, historische, ökonomische, politische, psychologische, kommunikative und philosophische Aspekte.”[4] Besonders die Dimension des israelbezogenen Antisemitismus ist in fast allen Formen gegenwärtiger Judenfeindschaft präsent.[5] Unabhängig von einer Bewertung des aktuellen Konfliktes spielt Israel für jüdische Identität heute eine bedeutende Rolle und muss als Schutzraum für Jüdinnen und Juden bestehen.[6] 

“Anders als es bisweilen in öffentlichen Debatten suggeriert wird, ist die Unterscheidung zwischen sachlicher Kritik von Politik oder Regierungshandeln und israelbezogenem Antisemitismus, der den jüdischen Staat und seine Bürger*innen diskriminiert und dämonisiert, relativ einfach. Kritik nimmt sachlich begründet zu bestimmten Fragen konkret Stellung. Sie ist offen für Einwände, argumentiert auf Basis von überprüfbaren Fakten und ist offen für rationale Gegenargumente (vgl. Schwarz-Friesel 2019).”[7]

Antisemitischer Hass hat keinerlei Berechtigung; er ist keine legitime Meinung. Daher sollte er nicht irrtümlich als Teil von Debatten oder wissenschaftlichem Austausch betrachtet werden, wie es in den letzten Wochen von verschiedenen Akteur*innen fälschlicherweise behauptet wurde.[8]

Die FSI Geschichte fordert von den Berliner Universitätsleitungen, jüdische Studierende besser zu schützen. In der letzten Zeit kam es an der Universität der Künste[9] sowie der Freien Universität[10] zu antisemitischen Vorfällen, durch die sich im Nachhinein Mitarbeitende zu öffentlichen Stellungnahmen gezwungen sahen. Damit eine nachträgliche Distanzierung gar nicht erst nötig sein wird, fordern wir von der Humboldt-Universität, vertreten durch die Präsidentin Julia von Blumenthal, mit der Erarbeitung und Umsetzung eines durchdachten Veranstaltungskonzepts die Initiative zu ergreifen.

Zudem verwehren wir uns jeder Vereinnahmung durch rechte Akteur*innen. Wir verurteilen die Instrumentalisierung von Antisemitismus durch Personen der AfD, der CDU/CSU und weiterer Parteien. Ihre Anteilnahme am Leid von betroffenen Jüdinnen und Juden halten wir nicht für authentisch. Sie dient ihnen lediglich als Legitimation rassistischer Narrative.

Auch reicht es zur Bekämpfung des Antisemitismus nicht aus, aufgeschreckt durch einzelne extreme Vorfälle reflexartig Symbolpolitik zu betreiben. Hanna Veiler schreibt dazu:
“In den vergangenen Monaten konnte sich Antisemitismus […] ohne Angst vor unmittelbaren Konsequenzen ausbreiten. Dass es so weit gekommen ist, ist ein Indiz für die jahrzehntelange Relativierung der antisemitischen Gewalt innerhalb des Bildungswesens. Es ist die Konsequenz der Leugnung dessen, dass es an der eigenen Einrichtung ein Antisemitismusproblem geben könnte, die bis heute anhält. Und es sind jüdische Studierende, die nun den Preis dafür zahlen.”[11]

 

[1]  TAZ (03.01.2024): Antisemitismusbeauftragter über Proteste: „Wir haben eine extreme Eskalation“.

[2]  RIAS Berlin (28.11.2023): Nach dem Terror der Hamas. Antisemitische Vorfälle in Berlin vom 7.10.2023 bis 9.11.2023, S. 2.

[3]  t-online (01.12.2023): Antisemitismus an Universitäten: „Jüdische Studierende haben Notfallkontakte“.

[4] Monika Schwarz-Friesel und Jehuda Reinharz. Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert. Berlin, Boston 2012, S. 59.

[5] Vgl. BPB (11.02.2021): Israelbezogener Antisemitismus | Antisemitismus.

[6] Vgl. BPB (08.10.2021): Juden in Deutschland und der Staat Israel | Jüdisches Leben in Deutschland nach 1945.

[7] BPB (11.02.2021): Israelbezogener Antisemitismus | Antisemitismus.

[8] Vgl. Tagesspiegel (07.02.2024): Angriff auf jüdischen Studenten: Tatverdächtiger darf nicht exmatrikuliert werden – Wegner erwägt Gesetzesänderung.

[9]  Vgl. Statement der Lehrenden und Mitarbeitenden gegen Antisemitismus an der UdK Berlin.

[10]  Vgl. Stellungnahme von Mitgliedern der Freien Universität Berlin gegen Antisemitismus und Intoleranz.

[11] Jüdische Allgemeine (05.02.2024): Was es bedeutet, im Jahr 2024 jüdischer Studierender in Berlin zu sein. Ein Aufschrei.