Humboldt-Universität zu Berlin - Geschichte Osteuropas

Forschung

In der aktuellen Forschung beschäftigt sich der Lehrstuhl für Geschichte Osteuropas insbesondere mit Fragen der Kontinuität, der Transformation und des Vergleichs. So fragt das Projekt Dikataturen als alternative Ordnungen danach, worauf die Akzeptanz von Diktaturen beruht, worauf der Glaube an die Legitimität ihrer Herrschaft? In dem Projekt Orte der Macht gehen die Mitarbeiter der Frage nach, wie im Medium der Infrastruktur Macht ergriffen und genommen, Herrschaft gesichert und verloren wird. In den laufenden Forschungsprojekten geht es um Fragen der Aufarbeitung von Diktaturerfahrungen (Landschaften der Verfolgung), um das Verhältnis von Kunst und Macht (Gegeisselte Musen) und den Vergleich zweier Diktaturen, die nach dem Tod des unangefochtenen Führers die Herrschaft neu ausrichten mussten (Kollektiv durch die Krise). 

 

Diktaturen als alternative Ordnungen

 

Diktaturen sind historisch komplexe politische, soziale und kulturelle Ordnungen, die nicht allein auf Unfreiheit, Gewalt und Unterdrückung beruhen. Sie sind vielmehr Konfigurationen des politisch Möglichen, die verstanden werden müssen. Das interdisziplinäre Zentrum für Vergleichende Diktaturforschung sucht nach Antworten auf die Frage, weshalb sich Menschen in spezifischen historischen Situationen freiwillig für die Diktatur entscheiden, sich für sie engagieren oder sich ihr widerspruchslos unterordnen. Das Zentrum versucht, Antworten auf folgende Fragen zu finden: Worauf beruht die Akzeptanz von Diktaturen, worauf der Glaube an die Legitimität ihrer Herrschaft? Welche Alternativen bieten Diktaturen an, die Demokratien nicht zur Verfügung stehen? Welche Versprechungen machen sie, und wie verbinden sie sich mit den Erwartungen von Menschen? Vor allem aber: vor welchem sozialen und kulturellen Hintergrund wird die Diktatur erlebt, womit wird sie verglichen, und wer empfindet sie als angemessene Lösung für unbeantwortete Fragen?


Welche neuen Erkenntnisse verspricht eine solche Forschung? Die Antwort lautet: wenn Diktaturen nicht mehr nur als Ausnahme von der Demokratie verstanden werden, gelingt es, sie als eigenständige Phänomene wahrzunehmen. Denn Demokratien können sich in Diktaturen verwandeln. Immer schon waren Diktaturen in der Moderne Alternativen, die unter bestimmten Umständen an Attraktivität gewannen, nicht zuletzt durch (unerfüllbare) Versprechungen. Aus utopischen Verheißungen beziehen Diktaturen ihre Legitimation, und in manchen Ländern konnten Bürger tatsächlich ideell oder materiell von ihnen profitieren, weil unter prekären Verhältnissen offene Gesellschaften nicht leisten können, was Diktaturen unter anderen Umständen gelingt. Wir wollen diese Möglichkeiten der Diktatur vergleichend untersuchen und in einen transnationalen Kontext stellen. Warum waren manche Diktaturen stabil und konnten sich mit geringem Gewalteinsatz und Unterstützung durch einen Teil der Bevölkerung durchsetzen? Stets stehen Diktaturen auch im Austausch mit Demokratien, von denen sie sich abgrenzen oder von denen sie lernen müssen, wenn sie ihre Ansprüche legitimieren wollen. Denn Diktaturen halten sich gewöhnlich für den eigentlichen Ausdruck der Volkssouveränität.

 

Orte der Macht. Die Materialisierung imperialer Herrschaft

 

Die Forschungsgruppe widmet sich der materiellen, dinglichen Dimension imperialer Macht, indem sie danach fragt, wie im Medium der Infrastruktur Macht ergriffen und genommen, Herrschaft gesichert und verloren wird. Es geht also um den Einfluss der dinglichen Welt auf die Dynamik des Machterwerbs und des Machtverlusts. Die Mitglieder der Forschungsgruppe nähern sich dieser Frage aus einer regionalwissenschaftlichen Perspektive und wollen im Vergleich ein Konzept entwerfen, das helfen kann, die Dinglichkeit der Macht in Imperien als globales Phänomen zu verstehen.

 

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