Humboldt-Universität zu Berlin - Geschichte Osteuropas

Anastasia Kempke

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Anastasia Kempke
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a.kempke[at]bundesstiftung-aufarbeitung.de

Kurzvita

 

2005–2008 Bachelor of Arts in Geschichte und Sozialwissenschaften an der Universität Bielefeld


2008–2012 Master of Arts in Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin


seit 2013 Promotionsprojekt „Die Auflösung des Ansiedlungsrayons während des Ersten Weltkrieges: Das zaristische Vielvölkerimperium und seine Juden“


2015–2018 Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Archivarin im Archiv Grünes Gedächtnis der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin


05/2018–12/2019 Internship an the Higher School of Economics in St. Petersburg


seit 04/2021 Projektmitarbeiterin im Archiv der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

 

 

Forschung

 

Dissertation/Forschungsprojekt: Die Auflösung des Ansiedlungsrayons während des Ersten Weltkrieges

 

Das Russische Imperium war ein Vielvölkerimperium und am Anfang des 20. Jahrhunderts auch ein Zuhause für die Hälfte aller Juden der Welt. Dabei lebten sie nicht über das gesamte Territorium verstreut, sondern sehr kompakt auf einem rechtlich klar umrissenen Gebiet, dem sogenannten Ansiedlungsrayon (čerta evrejskoj osedlosti). Kein Buch, kein Text, keine Erinnerung über und von den „russischen Juden“ kommt ohne die Erwähnung der „čerta“ aus. Ihr Anfang und Ende sind ziemlich klar datierbar. Der Anfang ist verbunden mit den Polnischen Teilungen und das Ende mit dem Ersten Weltkrieg.

Die Frage der Beschränkung der Freizügigkeit und der Wohnrechtsfrage blieb bis zur Februarrevolution 1917 die zentrale rechtliche Diskriminierung der Juden im Zarenreich. Der Ansiedlungsrayon ist ein Synonym, ein Sinnbild und eine anerkannte Chiffre für die gesamte Geschichte der „russischen Juden“ geworden. Im Königreich Polen und dem Ansiedlungsrayon entstand eine eigene Welt der aschkenasischen Juden, die sich im multiethnischen Mikrokosmos des Schtetls abspielte. „Beyond the pale“ (Nathans) gelangen nur wenige. Während des Ersten Weltkrieges, der sich für das Zarenreich vor allem auf dem Territorium des Ansiedlungsrayons abspielte, wurden hundert Jahre alte Strukturen aufgebrochen. Mit der Flucht und Vertreibung gelangen Tausende Juden ins Innere des Zarenreiches.

Das Dissertationprojekt widmet sich sowohl der rechtlichen Frage, wie der Prozess der Auflösung des Ansiedlungsrayons abgelaufen ist und wie die jeweiligen staatlichen Verwaltungsebenen darauf reagierten, als auch den Begegnungen vor Ort. Wie John Klier richtig angemerkt hat, fehlte es den Bewohnern des russischen Kernlandes an einer langen Geschichte der Interaktion mit Juden. Mit Deportationen, Vertreibungen und Flucht während des Ersten Weltkrieges veränderte sich die Situation erheblich. Wie reagierten die Menschen vor Ort auf die Neuankömmlinge? Welche Konflikte wurden ausgetragen? Welche Stereotypen gegenüber den Juden kamen zum Vorschein und welche wurden nicht geäußert? Wie verlief die Eingliederung der jüdischen Flüchtlinge in für sie neuen Ortschaften? Wurden Juden überhaupt aus der Masse der Flüchtlinge auf irgendeine Art und Weise separiert? Diesen Fragen widme ich mich im Dissertationsprojekt.

 

 

Publikationen Anastasia Kempke, geb. Surkov

 

Bücher:

Flugblätter gegen Unmenschlichkeit: Die Sammlung Friedrich Uhlemann und die deutsche Nachkriegsgeschichte, Dresden 2020.

 

Aufsätze:

Die zweite Generation der Grünen. Ein Gruppenportrait, in: BIOS. Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen 32 (2019) Heft 1/2, S. 130–165. (zusammen mit Christoph Becker-Schaum)

„Russia free-through the will of the people! The country´s genius will lead the people to happiness!“ – Reactions and expectations in Vladimir, in March 1917 (in Vorbereitung)

Akademische Übersetzungen aus dem Russischen:

Nicolas Werth, Die große ukrainische Hungersnot von 1932/33, in: Jörg Baberowski, Robert Kindler (Hrsg.), Macht ohne Grenzen. Herrschaft und Terror im Stalinismus, Frankfurt am Main 2014, S. 117–139.

Aufsätze von Lydia Golowkowa und Andrej Kostrjukow im Sammelband: Frank-Lothar Kroll (Hrsg.), Weltwende 1917. Russland, Europa und die bolschewistische Revolution, Dresden 2021.

Tagebücher und Erinnerungen - Veprik (in Vorbereitung)

 

Rezensionen und Tagungsberichte:

Simon Dubnow, Geschichte eines jüdischen Soldaten. Bekenntnis eines von vielen, hrsg. Vera Bischitzky und Stefan Schreiner, Göttingen 2012, in: transversal. Zeitschrift für Jüdische Studien 14 (2013), S. 110–113

Brunner, José; Avraham, Doron; Zepp, Marianne (Hrsg.): Politische Gewalt in Deutschland. Ursprünge – Ausprägungen – Konsequenzen. Göttingen 2014, in: H-Soz-Kult, 17.11.2014, http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-22743

Birgit Metzger, Erst stirbt der Wald, dann du! Das Waldsterben als westdeutsches Politikum (1978–1986), Frankfurt am Main 2015, in: Jahrbuch Grünes Gedächtnis 2016, https://www.boell.de/de/2017/04/03/gruenes-gedaechtnis-2016?dimension1=division_agg

Michal Rejman / Boguslav Litera / Karel Svoboda / Daniel Kolenovskaja, Roždenie deržavy. Istorija Sovetskogo Sojuza s 1917 po 1945 god, Moskva: Rosspėn, 2015, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas / jgo.e-reviews, jgo.e-reviews 2017, 2, S. 33-34, https://www.recensio.net/r/a51d6d3fc9854cf9b2f8225516b9dd8a

Darius Staliūnas, Enemies for a Day. Antisemitism and Anti-Jewish violence in Lithuania under the Tsars, Budapest: CEU Press, 2015, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas / jgo.e-reviews, jgo.e-reviews 2017, 3, S. 16–18, https://www.recensio.net/r/16ef04d7aa024d5bb6d2d0a71a00c375

Tagungsbericht: Tschernobyl – Wendepunkt oder Katalysator? Umweltpolitische Praxen, Strukturen, Wahrnehmungen im Wandel (1970er–1990er), 02.12.2016–03.12.2016 Berlin, in: H-Soz-Kult, 15.02.2017, (zusammen mit Sophie Lange), www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-6999

David Schick, Vertrauen, Religion, Ethnizität. Die Wirtschaftsnetzwerke jüdischer Unternehmer im späten Zarenreich, Göttingen 2017, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas / jgo.e-reviews, JGO 67 (2019), 4, S. 646–648, https://www.recensio.net/r/3c46fbbf9a9e4433832550ce77116070

Sarah Panter, Jüdische Erfahrungen und Loyalitätskonflikte im Ersten Weltkrieg, Göttingen 2014, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas / jgo.e-reviews, JGO 68 (2020), 3-4, S. 623-625, https://www.recensio.net/rezensionen/zeitschriften/jahrbucher-fur-geschichte-osteuropas/jgo-68-2020/3-4/ReviewMonograph728097642