Humboldt-Universität zu Berlin - Südosteuropäische Geschichte

Karolina Novinscak

Aus Jugoslawien über Deutschland zurück nach Kroatien?
Zur Geschichte transnationaler Beziehungen von (Arbeits-) Migranten und ihren Nachkommen aus Kroatien in Bayern  (1960er Jahre bis zur Gegenwart)

 

Grenzüberschreitende Beziehungen von Migranten, die vom Residenzland zum Herkunftsland und umgekehrt geknüpft werden, sind dynamisch und vor allem kein neues gesellschaftliches Phänomen - sie haben Geschichte. Trotzdem ist über die Geschichte von migrantischen transnationalen Beziehungen und Praktiken relativ wenig bekannt, weil sich die empirische Migrations- und Transnationalismusforschung vorzugsweise aktuellen Migrationen zuwendet und häufig nur eine Migranten-Generation berücksichtigt  (Thomas Faist 2010).

Das Promotionsprojekt erforscht die Geschichte transnationaler Netzwerke und Beziehungen zwischen Deutschland/Bayern und Kroatien, die im Laufe der deutsch-jugoslawischen/kroatischen Zu- und Einwanderungsgeschichte seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bis zur Gegenwart entstanden sind. Der Untersuchungsschwerpunkt liegt dabei auf den Zu- und Einwanderern mit kroatischem Migrationshintergrund, deren Familien seit den 1960er Jahren nunmehr bereits in dritter oder vierter Generation in Bayern leben. Da sich transnationale Netzwerke und Praktiken, wie z.B. kroatische Migrantenselbstorganisationen/Vereine oder Familiennetzwerke, nicht nur auf das Herkunftsland beziehen, sondern gleichzeitig auch Reaktionen auf die Lebenslage im Ankunftsland sind, gilt es auch die regionalen und lokalen strukturellen Bedingungen vor Ort einzubeziehen. Daher wird ein mikrohistorischer Ansatz verfolgt, der Familiennetzwerke und transnationale Vereine mit Kroatien-Bezug im Bundesland Bayern in den Blick nimmt, ebenso wie die sozialen und politischen Strukturen, in denen sie agieren. Folgende Fragen sind forschungsleitend: Wie haben sich die transnationalen Beziehungen und Praktiken im Lebensverlauf der Menschen, die aus Kroatien nach Bayern eingewandert sind, verändert? Welche Praktiken und Netzwerke mit welcher Zielsetzung wurden geknüpft?  Wie erklären die Akteure selbst ihre Herkunftslandorientierung und die daraus resultierenden Netzwerke und Praktiken? Sind generationelle Unterschiede feststellbar und wie können diese interpretiert werden? Und last but not least: Wie wirken die strukturellen und historischen Rahmenbedingungen in denen sich ihre Migration vollzogen hat (Kalter Krieg, bilaterale Beziehungen, jugoslawischer Staatszerfall, kroatische Nationalstaatsgründung, migrationspolitischer Wandel) im Herkunfts- und Residenzland auf die Ausgestaltung ihrer transnationaler Beziehungen und Praktiken?

Der Forschungszugang ist ein historisch-anthropologischer, bei dem Oral History, teilnehmende Beobachtung ebenso wie die Archivarbeit (Bundesarchiv Koblenz, Archiv Jugoslawiens, Staatsarchiv Kroatien, Bayerisches Hauptstaatsarchiv und Staatsarchiv München) zu den zentralen Methoden gehören.

Das Dissertationsprojekt war von 2009-2012 eingebunden im FORMIG-Forschungsprojekt „Bayern-Kroatien transnational“, das an der Universität Regensburg/Geschichte Südost- und Osteuropas verortet war und im Rahmen des Forschungsverbundes „Migration und Wissen“ vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst gefördert wurde.