Gegeißelte Musen? Komponisten in der Stalin-Zeit
Projektleitung: Prof. Dr. Jörg Baberowski
Mittelgeber: Deutsche Forschungsgemeinschaft
Laufzeit: 2015 - 2022
Mitarbeiter: Sarah Caroline Matuschak (wiss. Mitarbeiter)
Das Forschungsvorhaben legt als Hauptthese die Beobachtung zugrunde, dass die Steuerung der sowjetischen Musik durch den stalinistischen Machtapparat in ihrer Auswirkung auf die einzelnen Komponisten deutlich weniger kohärent ausfiel als die der Nachbarkünste. Die Ursache hierfür ist in der spezifischen Sprache der Musik zu suchen: Chiffriert durch Töne agiert sie auf einer abstrakten Ebene, die subjektiv-emotional rezipiert wird. Hierdurch ließ sie sich weitaus schwerer instrumentalisieren als andere Kunstformen, auch wenn die Kulturbürokratie mit der Schaffung eines zentralen Verbandes und der Initiierung ideologischer Kampagnen in allen Kulturbereichen ähnliche Mechanismen installierte, um auf diese Weise eine umfassende Kontrolle der musikalischen Produktion und Aufführung zu erreichen. Nicht zuletzt unterschied sich daher auch das Ausmaß an Repressionen gegen die Musikschaffenden von anderen Kunstbereichen: Kein Komponist der Stalin-Zeit fand durch das Regime den Tod.
Das Dissertationsprojekt beabsichtigt, anhand der Biographien ausgewählter sowjetischer Komponisten deren Lebenswege und künstlerisches Schaffen im Spiegel des gesellschaftspolitisch-ideologischen Kontextes der Stalin-Zeit zu untersuchen und herauszuarbeiten, wie es den Musikschaffenden gelang, eigene Handlungs- und Entwicklungsspielräume zu entwickeln und so Nischen jenseits dogmatisch-ideologischer Grenzen zu schaffen. Auf diese Weise soll die Musik der Stalin-Zeit neu verortet werden und letztendlich das Bild einer umfassend repressierten Kunst Relativierung finden.