Humboldt-Universität zu Berlin - Geschichte Osteuropas

Anne-Kristin Hartmetz

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Anne-Kristin Hartmetz
E-Mail
anne.hartmetz (at) hu-berlin.de

Forschung:
Dissertationsprojekt „Auf dem sozialistischen Entwicklungsweg: Politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zwischen Ghana und der Sowjetunion 1957-1972“

 

Projektbeschreibung:

Lange ist die sogenannte Dritte Welt in der Zeit des Kalten Krieges auch in der Forschung vorwiegend als Schauplatz von Auseinandersetzungen und Stellvertreterkriegen der Supermächte betrachtet worden. Diese Wahrnehmung ändert sich im Rahmen der neueren Global Studies, in denen auch der Globale Süden differenzierter wahrgenommen wird. In der Forschung zu den Beziehungen zwischen den postkolonialen afrikanischen Staaten und der Sowjetunion wurde besonders Westafrika lange Zeit als marginal angesehen und weckte wenig historisches Forschungsinteresse. Ein genauerer Blick lohnt sich jedoch. Ghana wurde 1957 als eines der ersten Länder südlich der Sahara im Jahr 1957 unabhängig. In der folgenden dynamischen Zeit, die geprägt von Umbrüchen und Experimenten war, wählte Ghana eine Zeitlang den sozialistischen Entwicklungsweg. Sozialismus wurde im Ghana der 1960er Jahre als Teil eines größeren Modernisierungsprojekts verstanden, das eine weitreichende Industrialisierung einschloss und eng mit dem Panafrikanismus verbunden war.

Sozialistische Ideen waren in Ghana nicht neu. Es hatte sie bereits vor der Unabhängigkeit gegeben. Doch die Konzepte der frühen und mittleren 1960er Jahre unterschieden sich sowohl qualitativ als auch quantitativ erheblich von den sozialistischen Ideen der späten Kolonialzeit. Hier spielte die Sowjetunion als Vorbild und Kooperationspartner eine wichtige Rolle. Gegenstand der geplanten Dissertation ist deshalb die Entwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen Ghana und der Sowjetunion nach der Unabhängigkeit Ghanas unter dem Aspekt einer sowohl imaginierten als auch praktisch angestrebten sozialistischen Modernisierung. Der Fokus liegt zunächst auf der Etablierung von Strukturen, um Austausch überhaupt zu ermöglichen, und auf den Kontakten, die sich aus dem politischen Willen zur Kooperation ergaben. Die meisten Akteure beider Seiten hatten wenig oder keine Erfahrung im Umgang mit Kooperationspartnern aus der jeweils anderen Region. Es ist deshalb zu untersuchen, wie die Kontakte hergestellt und gestaltet wurden und welche Strategien es auf beiden Seiten gab, mit den jeweils „anderen“ zu kooperieren. Die Aktionen und Reaktionen, Handlungsspielräume und gegenseitigen Wahrnehmungen von Entscheidungsträgern und nichtstaatlichen Akteuren im postkolonialen Ghana und in der poststalinistischen Sowjetunion sollen anhand dieser Kontakte analysiert werden.

Der zugrunde gelegte zeitliche Rahmen reicht dabei von der Aufbruchseuphorie auf beiden Seiten ab 1957 über Ernüchterung und Pragmatismus nach der Neuorientierung der sowjetischen Afrikapolitik ab 1964 und den Bruch der Beziehungen nach dem Sturz Kwame Nkrumahs im Jahr 1966 bis zur Neuorientierung der ghanaischen Politik in den frühen 1970er Jahren. In einem Ausblick wird es auch um die weiteren Entwicklungen bis zu einer vermuteten politisch-ideologischen Wiederannäherung beider Staaten unter der quasi-sozialistischen Regierung Rawlings in den 1980er Jahren und bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion gehen.

Publikationen

Herausgeberin:

Anna Calori, Anne-Kristin Hartmetz, Bence Kocsev, James Mark, Jan Zofka (Hg.). Between East and South: spaces of interaction in the globalizing economy of the Cold War. Berlin, Boston: De Gruyter, 2019.

 

Aufsätze:

Anna Calori, Anne-Kristin Hartmetz, Bence Kocsev, Jan Zofka. “Alternative Globalization? Spaces of economic interaction between the ‘socialist camp’ and the ‘Global South’”, in Calori u.a. (Hg.), Between East and South: spaces of interaction in the globalizing economy of the Cold War. Berlin, Boston: De Gruyter, 2019, 1–31.

Jörg Depta, Anne-Kristin Hartmetz. “Herder vs. Goethe in Egypt: East and West German language courses in Cairo and the evolution of ‘German as a Foreign Language’ (DaF)”, in Eric Burton u.a. (Hg.), Navigating socialist encounters: moorings and (dis)entanglements between Africa and East Germany during the Cold War, Berlin, Boston: De Gruyter, 2021, 61–85.

Jörg Depta, Anne-Kristin Hartmetz, “‘Weil nicht sein kann, was nicht sein darf’: Rassistische Tendenzen und Strukturen in der DDR-Gesellschaft“, in Alfred Roos, Michael Schwandt, Nico Scuteri (Hg.), Rassismus im Gespräch: Beispiele und Reflektionen aus der brandenburgischen Arbeitspraxis, Potsdam: Demokratie und Integration Brandenburg e.V., 2022, 43-60.

Anne-Kristin Hartmetz, “Between Factory and Fiction: Planning and implementation of agro-industrial development projects in Ghana in cooperation with CMEA Countries, 1960–1966”, in: Christoph Bernhardt, Andreas Butter, and Monika Motylinska (Hg.), Between Solidarity and Business: Global Entanglements in Architecture and Planning in the Cold War Period. Berlin: De Gruyter, 2023, 123-141.

 

Rezensionen:
Sergey Mazov, A distant front in the Cold War. The USSR in West Africa and the Congo, 1956-1964, Stanford: Stanford University Press 2010, rezensiert für: H-Soz-Kult 16.4.2013.

Benjamin Brendel, Konvergente Konstruktionen. Eine Globalgeschichte des Staudammbaus, Frankfurt am Main/ New York: Campus 2019, rezensiert für: Comparativ 31, 3/4 (2021), 274-275.

Abena Dove Osseo-Asare, Atomic Junction. Atomic Power in Africa after Independence, Cambridge: Cambridge University Press 2019, rezensiert für Werkstatt Geschichte, erscheint 2023.