Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Geschichtswissenschaften

Johann-Gustav-Droysen-Preis 2023

LogoFVIfGMit der Verleihung des Droysen-Preises möchte der Verein herausragende schriftliche Leistungen von Studierenden auszeichnen. Seit 2002 wird der Droysen-Preis einmal jährlich für die beste Hausarbeit in Hauptseminaren sowie eine Bachelor- und eine Master-, Staatsexamens- oder Magisterarbeit verliehen. Seit 2011 vergibt der Förderverein den Droysen-Preis in den drei Kategorien Bachelorarbeit, Master-, Staatsexamens- oder Magisterarbeit und Dissertation.

Jeder Dozent ist berechtigt, einer unabhängigen Jury Arbeiten vorzuschlagen.

Im  Rahmen der Feier zur Verabschiedung der Examinierten werden den Preisträgern Urkunden und Geldgeschenke überreicht.

Die Vergabe des Preises ist unter Einverständnis der Autor*in mit der Publikation in der Zeitschrift "Die junge Mommsen" verknüpft. Die junge Mommsen ist eine unabhängige studentische Zeitschrift, die besonders herausragende studentische Arbeiten am Institut für Geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin publiziert. Die erste Ausgabe erschien im Juli 2019.
Die junge Mommsen gibt es auch auf dem

 

Preisträger:innen 2023

 

Bachelorarbeit

 

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Bild: Privat

Paula Fredrich: Das "Wilde Grün" von Schöneberg. Der Umgang mit Stadtnatur im West-Berliner Kontext der 1980er Jahre am Beispiel des Schöneberger Südgeländes

Die Bachelorarbeit von Paula Liva Fredrich widmet sich der Entwicklung des Schöneberger Südgeländes von einer Brachfläche nach dem Zweiten Weltkrieg zum Naturpark, wie er im Jahr 2000 realisiert worden ist. Im Zentrum ihrer Untersuchung steht die Bürgerinitiative Schöneberger Südgelände, die sich 1980 als Reaktion auf die Pläne des West-Berliner Senats zum Bau eines modernen Güterbahnhofs gründete und sich für den Schutz der beeindruckenden Artenvielfalt einsetzte, die sich in der Zwischenzeit auf dem Gelände ausgebildet hatte. Die Arbeit verfolgt das Engagement der Bürgerinitiative und fragt nach dem historisch zu situierenden „Verständnis von Natur im urbanen Raum“ (S. 1), das in dem öffentlichen Aushandlungsprozess um die Nutzung des Areals zum Ausdruck kam. Ihr Augenmerk liegt dabei auf der ersten Hälfte der 1980er Jahre, von der Gründung der Bürgerinitiative über den Stopp des Planfeststellungsverfahrens bis zum Entwurf des Naturparks von 1985, der sich letztlich durchsetzen sollte. In der Anlage der Arbeit als lokale Mikrostudie mit einem akteursorientierten und interdisziplinären Ansatz und in kluger und zielführender Weise theoretische Angebote etwa der Raumsoziologie aufgreifend, gelingt Paula Fredrich eine ausgewogene und erhellende Analyse der Entstehungsgeschichte der Naturparkidee Schöneberger Südgelände. Methodisch ist die Arbeit vielschichtig, und das Quellenmaterial reicht von Veröffentlichungen der Bürgerinitiative und ökologischen Gutachten über naturwissenschaftliche Untersuchungen und die West-Berliner Presse bis hin zu selbst geführten Zeitzeugengesprächen. Die Arbeit erlaubt damit spannende Einblicke in den West-Berliner „Mikrokosmos“ der 1980er Jahre und beleuchtet überzeugend die Schnittstellen zwischen der seit den 1970er Jahren an der TU Berlin betriebenen stadtökologischen Forschung einerseits und der entstehenden Umweltschutzbewegung andererseits.

Die Arbeit besticht durch ihre hohe Eigenständigkeit, ihre selbstständige und kreative Entwicklung von Fragestellung und Forschungsdesign, ihre methodische Vielschichtigkeit sowie ihre Struktur und Darstellung.

 

 

Masterarbeit

 

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Bild: Pál Leon Ludloff

Jens Aurich: Collecting Strike Data from Digitized Historical Newspapers (19th Century). Potential and Challenges of an Automated Workflow

Wie man sich einem vermeintlich ‚alten‘ Thema – der Streikgeschichte – auf neuen Wegen widmen kann, zeigt die Masterarbeit von Jens Aurich. Mittels innovativer digitaler Methoden verleiht er diesem Feld der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte neue Impulse und eine neue historiografische Relevanz. Sein Ausgangspunkt sind digitalisierte Zeitungen aus dem 19. Jahrhundert, wie sie in wachsender Zahl von Bibliotheken zur Verfügung gestellt werden. Welche Potenziale, aber auch Herausforderungen in der Bewältigung dieser großen Datenmengen stecken, zeigt seine Arbeit beispielhaft. Aus sechs Tageszeitungen und damit über 40.000 zwischen 1870 und 1890 im Kaiserreich erschienenen Zeitungsausgaben extrahiert er einen relevanten Subcorpus aus gut 20.000 Zeitungsartikeln, in denen Streiks thematisiert werden. Bereits die hier vorgelegte, sehr reflektierte, souveräne Diskussion zur Artikelsegmentierung, in der überzeugende Lösungswege präsentiert werden, macht die  Arbeit preiswürdig. In einem weiteren Schritt hebt Herr Aurich aus dieser Datenmenge wiederum 4.236 Artikel hervor, das heißt: Er sieht sich diese immer noch beeindruckende Zahl von Artikeln genauer an und vermerkt Informationen zu genannten Orten und Berufsgruppen, um diese schließlich auswerten zu können und mit den Ergebnissen der klassischen sozialgeschichtlichen Forschung zu vergleichen. Es lassen sich so Ungleichgewichte in der früheren Streik-Berichterstattung feststellen, nicht zuletzt aufgrund presserechtlicher Beschränkungen. Dies führte dazu, dass eher über Streiks im Ausland als über Streiks im Kaiserreich berichtet wurde.

Die Entwicklung, Exploration und Diskussion von Methoden zur Aufbereitung, Auswahl und Auswertung von digitalisierten Zeitungsbeständen, die Jens Aurich in seiner Masterarbeit vornimmt, zeugt durchweg von einer beeindruckenden Versiertheit im Umgang mit einer ganzen Bandbreite an digitalen Werkzeugen – und zugleich von dem Bemühen, den eigenen Arbeitsprozess, bei allem Voraussetzungsreichtum, in einer gut lesbaren Sprache nachvollziehbar darzustellen. Hinzu kommt die durchgängig sehr reflektierte Vorgehensweise: die einzelnen Arbeitsschritte werden immer wieder evaluiert und nachgebessert. In dieser Pionierarbeit steckt nicht nur viel Arbeit und eine große Kreativität, sondern auch ein Plädoyer für den praktischen Wert und das innovative Potenzial der Disziplin der Digital History.